1 Leitsatz
Die Wohnungseigentümer können Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche auch dann noch vergemeinschaften, wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bereits klagt.
2 Normenkette
§ 10 Abs. 6 Satz 3 WEG a. F.
3 Das Problem
Wohnungseigentümer K geht gegen folgenden Beschluss vor: "Das Vorgehen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen den Eigentümer T, die Beauftragung der Rechtsanwaltskanzlei G und die Tätigkeit im Verfahren AG Böblingen bzw. LG Stuttgart wird genehmigt." Dieses Verfahren betrifft eine Klage der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen K. K soll eine bestimmte Gartengestaltung beseitigen. Das AG weist die Klage ab. Dagegen geht K vor.
4 Die Entscheidung
Ohne Erfolg! Zwar sei jeder Wohnungseigentümer berechtigt, Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus dem Miteigentum an dem Grundstück gem. § 1004 Abs. 1 BGB selbst zu verfolgen. Und dies gelte nicht nur, wenn sich die Ansprüche gegen einen anderen Wohnungseigentümer richteten, sondern auch dann, wenn Anspruchsgegner ein außerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft stehender Dritter sei. Auch bei Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen, die sich gegen einen Wohnungseigentümer richteten, könnten aber Meinungsunterschiede hierüber bestehen. Diesem Umstand könne dadurch begegnet werden, dass die Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche vergemeinschaftet werden. Einzelne Wohnungseigentümer, die mit dem beschlossenen Vorgehen nicht einverstanden seien, könnten einen solchen Beschluss mit der Anfechtungsklage überprüfen lassen. Im Fall hätten die Wohnungseigentümer mit dem angegriffenen Beschluss die Verfahrensführung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer genehmigt und die Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen daher vergemeinschaftet. Dies sei auch noch möglich gewesen.
Hinweis
Die Entscheidung ist zum alten Recht ergangen. Im neuen Recht wäre sie so nicht mehr möglich. Denn das System, wer sich gegen welche Störung des gemeinschaftlichen und/oder des Sondereigentums wehren kann, ist auf vollständig neue Füße gestellt worden. Ferner sieht § 9a Abs. 2 WEG keine Vergemeinschaftung mehr vor.
Überblick:
- Störungen des gemeinschaftlichen Eigentums Der sachenrechtliche Anspruch auf Unterlassung und/oder Beseitigung gegen Wohnungseigentümer und Drittnutzer steht nach § 1004 Abs. 1, § 1011 BGB zwar jedem Wohnungseigentümer zu. Er wird aber gem. § 9a Abs. 2 WEG von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ausgeübt. Der daneben bestehende schuldrechtliche Anspruch auf Unterlassung und/oder Beseitigung gegen Wohnungseigentümer steht wiederum jedem Wohnungseigentümer zu. Auch er wird aber von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ausgeübt, und zwar nach § 14 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 WEG. Einer Vergemeinschaftung bedarf es jeweils nicht (mehr). Dieses ist im neuen Recht weder möglich noch nötig. Ergänzt wird dieses Konzept durch § 18 Abs. 1, Abs. 2 WEG. Danach kann jeder Wohnungseigentümer von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verlangen, dass diese bei einer Störung des gemeinschaftlichen Eigentums tätig wird. Dies gilt sowohl für den sachenrechtlichen als auch für den schuldrechtlichen Anspruch auf Unterlassung und/oder Beseitigung gegen einen Wohnungseigentümer und/oder Drittnutzer. Ob es dazu eines Beschlusses nach § 19 Abs. 1 WEG bedarf oder der Verwalter nach § 27 Abs. 1 WEG handeln kann, ist eine Frage des Einzelfalls. Ob ein Nachbar stört oder ein Wohnungseigentümer ist unerheblich. Der einzelne Wohnungseigentümer selbst kann nicht handeln und ist von Anfang nicht prozessführungsbefugt. Benutzt ein Wohnungseigentümer und/oder Mieter rechtswidrig ein Sondereigentum, ohne dass daraus ein konkreter Nachteil für ein anderes Sondereigentum entsteht, gilt nichts anderes. Dies gilt auch dann, wenn das gemeinschaftliche Eigentum nicht gestört ist.
- Störungen des Sondereigentums Der sachenrechtliche Anspruch auf Unterlassung und/oder Beseitigung gegen Wohnungseigentümer und Drittnutzer steht nach §§ 903, 1004 Abs. 1 BGB jedem Wohnungseigentümer zu. Für den daneben liegenden schuldrechtlichen Anspruch gegen einen Wohnungseigentümer aus § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG gilt nichts anderes. Danach ist jeder Wohnungseigentümer gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern verpflichtet, deren Sondereigentum nicht über das in § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG bestimmte Maß hinaus zu beeinträchtigten. Auch diese Norm ist eher unglücklich formuliert. Es geht zwar darum, gegen Beeinträchtigungen vorzugehen, aus denen einem Wohnungseigentümer ein Nachteil erwächst, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht (BR-Drs. 168/20 S. 56). Dies entspricht dem Wortlaut. Es geht aber auch darum, konkrete Benutzungen abzuwehren, die den Vereinbarungen und/oder Beschlüssen widersprechen (BR-Drs. 168/20 S. 56). Dies ist dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG nicht unmittelbar zu entnehmen. In Bezug auf den Anspruch auf Unterlassung und/oder Beseitigung aus § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG kann man fragen, ob der gestörte Wohnungseigentümer gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aus § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG auch insoweit einen A...