1 Leitsatz
Der Eigentümer eines Wohnungseigentums kann wegen der von einer Mastleuchte ausgehenden Lichteinwirkung Unterlassung verlangen, wenn es sich um eine wesentliche Beeinträchtigung i. S. v. § 906 Abs. 1 BGB handelt. Zur Beurteilung der Wesentlichkeit sind die Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz als Orientierungshilfe geeignet.
2 Normenkette
§ 906, § 1004 BGB
3 Das Problem
Wohnungseigentümer K fühlt sich durch eine Mastleuchte gestört, die die Tiefgaragenzufahrt der benachbarten Wohnungseigentumsanlage B beleuchtet. K klagt gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer B der Nachbaranlage. B hält die Behauptung der Störung für übertrieben. Die Blendwirkungen seien untergeordneter Natur, ortsüblich und im Ergebnis jedenfalls zu vernachlässigen. Das AG gibt der Klage statt. Hiergegen richtet sich die Berufung der B. Das LG erhebt Beweis durch Inaugenscheinnahme im Rahmen eines Ortstermins sowie durch Einholung eines lichttechnischen Sachverständigengutachtens.
4 Die Entscheidung
Die Berufung hat keinen Erfolg! K habe gegen B einen Anspruch auf Beseitigung der von der Mastleuchte ausgehenden Blendwirkung gem. § 1004 Abs. 1 BGB. Denn die Störung sei wesentlich. Die Beurteilung, ob eine Beeinträchtigung wesentlich i. S. d. § 906 BGB sei, richte sich nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und danach, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei B der Beweis nicht gelungen, dass die von der Mastleuchte während der Dunkelheit ausgehenden Lichteinwirkungen die Benutzung der Wohnung der K nur unwesentlich beeinträchtigen. Für die psychologische Blendwirkung einer Lichtquelle enthielten die "Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen" der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz vom 13.9.2012 (Licht-Leitlinie) Richtwerte. Im Fall liege eine Blendung mit dem Maß 34 vor. Dieser Wert liege über dem gemäß der Licht-Leitlinie für reine Wohngebiete in der Kernzeit der Nacht von 22 Uhr bis 6 Uhr als Orientierung einschlägigen Richtwert von 32. Der Sachverständige halte die Blendwirkung für unzumutbar. Dieses Ergebnis decke sich mit dem Eindruck des Gerichts bei seinem Ortstermin in der Wohnung des K. Die Blendwirkung sei auch nicht wegen ortsüblicher Benutzung des Nachbargrundstücks zu dulden (§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB). Im Ortstermin habe sich die Kammer nämlich davon überzeugen können, dass die von der Mastleuchte einwirkenden Lichtimmissionen nicht üblich seien. Auf die Frage, ob B die zur Vermeidung der Beeinträchtigung erforderlichen Maßnahmen wirtschaftlich zumutbar seien (§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB), komme es mangels Ortsüblichkeit der konkreten Nutzung nicht an.
Hinweis
- Der Fall ist zum einen wegen der beklagten Partei von besonderem Interesse. Denn die Mastleuchte steht im Eigentum der Wohnungseigentümer der benachbarten Wohnungseigentumsanlage. Diese sind also der "Störer". Dennoch war es richtig – und wurde vom Gericht nicht einmal problematisiert – die Klage gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten. Denn bei der Plicht, die Störung zu unterlassen, handelt es sich um eine gemeinschaftsbezogene Pflicht der Wohnungseigentümer i. S. v. § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG.
Zum anderen ist der Fall ein Paradebeispiel für das Zusammenspiel der §§ 903, 906, 1004 BGB. Überblick:
- Nach § 903 Satz 1 BGB kann der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Dies gilt auch für einen Wohnungseigentümer (vgl. auch § 13 Abs. 1 WEG). Dies klingt so, als könne man nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB jede Störung abwehren und die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. So ist es aber nicht. Was innerhalb des Kreises der Wohnungseigentümer gilt, bestimmt vielmehr § 14 Nr. 1 WEG. Ein Wohnungseigentümer kann danach nur Unterlassung verlangen, wenn ihm über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Dies gilt auch in Bezug auf Drittnutzer innerhalb der Wohnungseigentumsanlage.
- Im Fall geht es allerdings um eine Störung von außen. Insoweit gilt § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Eigentümer eines Grundstücks – dies ist auch ein Wohnungseigentümer in Bezug auf sein Wohnungseigentum – kann danach die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Wann das so ist, sagt u. a. § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt danach in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt nach § 906 Abs. 1 Satz 3 BGB für Werte in ...