Leitsatz
Zur umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung von Vermögensverwaltungstätigkeiten.
Problematik
Das zur Unternehmereigenschaft der Holding sowie zur Vorsteueraufteilung nach der 6. EG-Richtlinie sehr informative Urteil enthält für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung von "Vermögensverwaltungs-Tätigkeiten" im Allgemeinen interessante Aussagen. Dies betrifft vor allem die folgenden Punkte:
- Tätigkeiten, die im bloßen Verkauf von Aktien und sonstigen Wertpapieren wie etwa Beteiligungen an Investmentfonds bestehen, stellen keine wirtschaftlichen Tätigkeiten im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie dar und fallen somit nicht in deren Anwendungsbereich;
- Anlagen in Investmentfonds sind keine Dienstleistung "gegen Entgelt" im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der 6. EG-Richtlinie und fallen deshalb ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer;
- die jährliche Gewährung verzinslicher Darlehen durch eine Holdinggesellschaft an ihre Beteiligungsgesellschaften und die Anlagen der Holdinggesellschaft in Form von Bankeinlagen oder in Titel wie Schatzanweisungen oder Zertifikate stellen dagegen wirtschaftliche Tätigkeiten, die ein Steuerpflichtiger als solcher ausführt, im Sinne von Art. 2 Nr.1 und 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie dar;
- diese Umsätze sind jedoch gemäß Art. 13 Teil B Buchstabe d Nrn. 1 und 5 der 6. EG-Richtlinie von der Mehrwertsteuer befreit.
Konsequenzen für die Praxis
Bei Verkauf von Aktien und sonstigen Wertpapieren wie Beteiligungen an Investmentfonds ist nach dem EuGH-Urteil davon auszugehen, dass sich der Unternehmer "wie ein privater Anleger auf die Verwaltung eines Wertpapiervermögens beschränkt" und damit nicht steuerbar ist. Zwar ergibt sich aus der Befreiungsvorschrift für Umsätze, die sich auf Wertpapiere beziehen (Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der 6. EG-Richtlinie, § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG), dass sie steuerbar sein können. Dabei muss es aber um die nachhaltige Erzielung von Einnahmen aus Tätigkeiten gehen, die über den bloßen Erwerb und den bloßen Verkauf von Wertpapieren hinausgehen, z. B. ein Wertpapiergeschäft im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit.
Anlagen in Wertpapieren wie Aktien, Investmentfonds usw. bringen zwar Erträge (Dividende). Dabei handelt es sich aber nicht um Entgelt/Gegenleistung für die Anlage als Dienstleistung. Steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG sind aber nur Leistungen gegen Entgelt. Dagegen handelt ein Unternehmen dann als Steuerpflichtiger (unternehmerisch und nicht im Rahmen bloßer Vermögensverwaltung), wenn es Mittel, die Teil seines Vermögens sind, für Bankeinlagen, für Anlagen in Titel wie Schatzanweisungen oder Zertifikate einsetzt und dafür Zinsen erhält. Zinszahlungen beruhen nicht auf dem bloßen Eigentum an einem Gegenstand, sondern sind Entgelt für die Überlassung von Kapital an einen Dritten und damit steuerbar. Allerdings sind diese Umsätze nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStGsteuerfrei.
Hierzu enthält die 6. EG-Richtlinie eine begünstigende Vorsteuerabzugsregelung, die im UStG nicht umgesetzt ist, deren Anwendung als allgemeiner Grundsatz aber gemeinschaftsrechtlich geklärt werden sollte: Der auf diese vorbezeichneten steuerfreien Kapitalumsätze entfallende Betrag muss danach bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs im Sinne der Art. 17 und 19 der 6. EG-Richtlinie unberücksichtigt bleiben, wenn es sich um sog. Hilfsumsätze im Rahmen des Unternehmens handelt. Diese steuerfreien Geldumsätze dürften nicht den Vorsteuerabzug aus damit zusammenhängenden Investitionen nach der deutschen Regelung des § 15 Abs. 2 UStG ausschließen. Ggf. könnte die günstige gemeinschaftsrechtliche Regelung von betroffenen Unternehmern erstritten werden.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil v. 29.4.2004, Rs. C-77/01, - EDM-, BFH/NV Beilage 2004 S. 259.