Sachverhalt
Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob ein bestimmtes Einschaltmodell zur Erlangung des Vorsteuerabzugs eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung darstellte mit der Folge, dass der Vorsteuerabzug nicht anzuerkennen war. Der Sachverhalt ähnelte dem in der Rechtssache Halifax plc, vgl. EuGH, Urteil v. 21.2.2006 (Halifax plc).
Im vorliegenden Fall ging es um eine britische Universität, die steuerfreie Unterrichtsleistungen und daneben einige steuerpflichtige Umsätze erbrachte. Ihre Vorsteuerabzugsberechtigung wurde entsprechend britischem Recht nach der sog. Pro-rata-Regelung (Art. 19 der 6. EG-Richtlinie) ermittelt. Der Anteil der abzugsfähigen Vorsteuer bemisst sich nach dem Volumen der zum Vorsteuerabzug berechtigten Umsätze bezogen auf den Gesamtumsatz der Universität. Im Jahre 1996 betrug dieser Satz rd. 15 % und fiel in den folgenden Jahren auf rd. 6 % ab.
1995 wollte die Universität eine stillgelegte, denkmalgeschützte Mühle renovieren und sie für ihre unternehmerischen Zwecke nutzen. Die Universität strebte an, die auf den Bauleistungen lastende Mehrwertsteuer in vollem Umfang als Vorsteuer abziehen zu können. Daher war zunächst die Konstruktion gewählt worden, dass die Universität die Mühle an eine von ihr gegründete Tochtergesellschaft vermieten und von dieser wieder anmieten sollte. Für beide Umsätze sollte zur Steuerpflicht optiert werden. Hinsichtlich der steuerpflichtigen Rückanmietung von der Tochtergesellschaft wäre die Universität zwar nur im Rahmen der Pro-rata-Regelung zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen. Insgesamt hätte diese Konstruktion jedoch dazu geführt, dass die auf den Bauleistungen lastende Mehrwertsteuer wegen der Steuerpflicht der Vermietung an die Tochtergesellschaft in vollem Umfang als Vorsteuer abziehbar gewesen wäre. Diese Konstruktion konnte jedoch letztlich nicht gewählt werden, weil zwischenzeitlich das britische Umsatzsteuergesetz dahingehend geändert worden war, dass verbundene Unternehmen für gegenseitig erbrachte Leistungen nicht auf die Steuerbefreiung verzichten können, wenn eines der beteiligten Unternehmen auch steuerfreie Umsätze erbringt. Die Vorschaltung einer Tochtergesellschaft kam somit nicht mehr in Betracht. Stattdessen gründete die Universität einen Trust, an den sie das Gebäude vermietete und der es an die Universität wieder zurückvermietete.
Die britische Finanzbehörde erkannte diese Konstruktion mit der Begründung nicht an, die Mietverträge führten nicht zu einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des Art. 4 der 6. EG-Richtlinie. Die Gestaltung diene allein der Steuerumgehung. Das Vorlagegericht fragte den EuGH, ob eine Tätigkeit, die ausschließlich in der Absicht vorgenommen wird, einen Steuervorteil zu erreichen (hier die steuerpflichtige Vermietung des Gebäudes an den Trust und die steuerpflichtige Rückanmietung) und mit der kein selbständiger Geschäftszweck verfolgt wird, eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Art. 4 der 6. EG-Richtlinie sein kann bzw. ob hier ein Rechtsmissbrauch vorliegt.
Wie in den Rechtssachen C-255/02 (Halifax) und in der Rechtssache C-419/02 (BUPA Hospitals hatte der EuGH zu entscheiden, ob sich der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit bzw. der Begriff der Lieferung und Dienstleistung allein anhand eines von den Parteien geschlossenen Vertrages bestimmen kann, oder ob auch der wirtschaftliche Zweck der gewählten Leistungsbeziehung nachvollziehbar sein muss. Nach Art. 2 der 6. EG-Richtlinie, der den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer festlegt, unterliegen der Richtlinie nur Tätigkeiten mit wirtschaftlichem Charakter im Sinne des Art. 4. Der EuGH musste entscheiden, ob Gestaltungen, die ausschließlich oder überwiegend aus Gründen der Steuerumgehung erfolgen, in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen.
Entscheidung
In seinem Urteil erinnert der EuGH daran, dass das mit der 6. EG-Richtlinie geschaffene System insbesondere auf einer einheitlichen Definition der steuerbaren Umsätze beruht. Aus der Analyse der Begriffe der Lieferung von Gegenständen und der Dienstleistung sowie des Steuerpflichtigen und der wirtschaftlichen Tätigkeit werde deutlich, dass diese Begriffe alle einen objektiven Charakter haben und unabhängig von Zweck und Ergebnis der betroffenen Umsätze anwendbar sind. Bei der Feststellung, ob ein Umsatz eine Lieferung von Gegenständen oder eine Dienstleistung und eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt, kommt es nach dem Urteil deshalb nicht darauf an, ob der betreffende Umsatz ausschließlich zur Erlangung eines Steuervorteils getätigt wurde. Umsätze wie im Ausgangsfall, selbst wenn sie ausschließlich in der Absicht getätigt werden, einen Steuervorteil zu erlangen, und sonst keinen wirtschaftlichen Zweck verfolgen, sind daher Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen und eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der 6. EG-Richtlinie, wenn sie die objektiven Kriterien erfüllen, auf denen diese Begriffe beruhen.
Allerdings, so der EuGH, ist eine betrügerische oder missbräuchliche Berufun...