Leitsatz
Eine beglaubigte Abschrift der Berufungsbegründung, die der Rechtsanwalt unterzeichnet hat, kann die fehlende Unterschrift auf der gleichzeitig bei Gericht eingereichten Urschrift nur ersetzen, wenn zum Zeitpunkt des Fristablaufs kein Zweifel möglich ist, dass der Schriftsatz von dem Unterschriftleistenden herrührt.
Sachverhalt
Ein Anwalt hatte die von ihm fristgerecht eingelegte Berufung mit einem von ihm nicht unterzeichneten Schriftsatz begründet. Dieser Begründung waren Mehrfertigungen beigefügt, die auf der ersten Seite einen Beglaubigungsvermerk trugen. Auf entsprechenden richterlichen Hinweis hat der Prozessbevollmächtigte kurz darauf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter Beifügung einer nun unterschriebenen Berufungsbegründungsschrift beantragt. Sein Antrag wurde indes zurückgewiesen. Auch beim BGH scheiterte das Wiedereinsetzungsgesuch.
Entscheidung
Rechtsmittelbegründungsschriften müssen als bestimmende Schriftsätze grundsätzlich von einem beim Rechtsmittelgericht zugelassenen Berufsangehörigen unterzeichnet sein, da mit der Unterschrift nachgewiesen wird, dass der Rechtsanwalt die Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittelbegründungsschrift übernimmt. Hiervon kann nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Rechtsanwalt die Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittelbegründungsschrift übernommen hat. Die Unterschrift auf den Deckblättern der Mehrfertigungen reicht hierfür aber nicht aus.
Zwar ist anerkannt, dass eine gleichzeitig eingereichte beglaubigte Abschrift, die der Rechtsanwalt unterzeichnet hat, die fehlende Unterschrift auf der Urschrift ersetzen kann. Auch in diesem Fall darf jedoch zum Zeitpunkt des Fristablaufs kein Zweifel mehr möglich sein, dass der Schriftsatz von dem Unterschriftleistenden herrührt. Der unterschriebene Beglaubigungsvermerk auf der ersten Seite der Abschrift lässt nicht zwingend den Schluss zu, dass die Unterschrift auf der Urschrift versehentlich unterblieben ist. Eine Unterschrift auf der ersten Seite eines mehrseitigen Schriftsatzes kann durchaus bereits vor der Endkorrektur geleistet werden. Die Kontrolle durch den unterzeichnenden Rechtsanwalt ist dann aber nicht mehr gewährleistet. Für Gericht und Gegner führt dies zu einer Unklarheit und Unsicherheit der Rechtslage, die dem Rechtsmittelbeklagten nicht zugemutet werden kann. Im Interesse der Rechtssicherheit ist deshalb zu fordern, dass eine Unterzeichnung den Inhalt der Erklärung räumlich decken, d.h. hinter oder unter dem Text stehen muss.
Praxishinweis
Das Rechtsmittelgericht ist nicht verpflichtet, vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist zu prüfen, ob die Berufungsbegründungsschrift ordnungsgemäß unterzeichnet ist, um auf entsprechende Fehler hinzuweisen. Der gerichtlichen Fürsorgepflicht sind enge Grenzen gesetzt. Nur unter besonderen Umständen kann ein Gericht gehalten sein, einer drohenden Fristversäumnis seitens der Partei entgegenzuwirken. So darf es nicht sehenden Auges zuwarten, bis die Partei Rechtsnachteile erleidet. Einen derartigen Sachverhalt sah der BGH hier aber nicht als gegeben an.
Link zur Entscheidung
BGH-Beschluss vom 15.6.2004, VI ZB 9/04