1 Leitsatz
Ist ein zum Ausbau berechtigter Wohnungseigentümer berechtigt, Einheiten im Dachgeschoss zu "Wohnzwecken" auszubauen und ist er gleichzeitig zur "Begründung von neuem Wohnungseigentum" bzw. dazu ermächtigt, "beliebig viele Wohnungseigentumsrechte zu begründen", so ist die Regelung dahingehend auszulegen, dass den neu geschaffenen, zusätzlichen Einheiten im Falle der Vereinbarung eines Objektstimmrechtes jeweils ein volles Stimmrecht zukommen soll.
2 Normenkette
§§ 23, 24, 25 WEG
3 Das Problem
Nach der Gemeinschaftsordnung entfällt auf jede "Eigentumswohnung" eine Stimme. Die Gemeinschaftsordnung ermächtigt den Eigentümer des Teileigentums Nr. 9, auf eigene Kosten und vorbehaltlich einer baubehördlichen Genehmigung sein Sondereigentum im Dachgeschoss zu Wohnzwecken aus- und umzubauen und "beliebig viele Wohnungseigentumsrechte zu begründen". Teileigentümer X macht von diesem Recht einen Gebrauch. Nach dem Ausbau werden anstelle der Teileigentums Nr. 9 die Wohnungseigentumsrechte Nr. 9a und 9b begründet. Bei einer Abstimmung wird fraglich, welches Stimmenrecht die Wohnungseigentümer Y und Z haben – die Eigentümer der Wohnungseigentumsrechte Nr. 9a und 9b. Der Verwalter meint, Y und Z besäßen jeweils ½ Stimmrecht.
4 Die Entscheidung
Dies sieht das LG anders! Es gebe 2 Stimmen, da der Gemeinschaftsordnung der Wille des teilenden Eigentümers entnommen werden könne, dass mit der Festlegung des Objektstimmrechts das Ziel verfolgt worden sei, im Fall einer "Vermehrung der Wohnungseigentumseinheiten" im Wege einer Unterteilung auch die Stimmrechte entsprechend zu steigern (Hinweis auf BGH, Beschluss v. 7.10.2004, V ZB 22/04, Rn. 33 – juris). X sei berechtigt gewesen, "beliebig viele Wohnungseigentumsrechte zu begründen". Dies sei so zu verstehen, dass den neu geschaffenen, zusätzlichen Einheiten im Fall der Vereinbarung eines Objektstimmrechts jeweils ein volles Stimmrecht zukommen solle.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall unterteilt ein Teileigentümer aufgrund einer Vereinbarung sein Recht. An die Stelle des Teileigentums Nr. 9 sollen die Wohnungseigentumsrechte Nr. 9a und Nr. 9b treten. Fraglich ist, ob die Eigentümer der so entstandenen Rechte gemeinsam eine Stimme haben, jeder ½ oder jeder 1 Stimme.
Regelfall
Wenn in der Gemeinschaftsordnung ein Objektstimmrecht vorgesehen ist, hat eine Unterteilung zur Folge, dass das Entstehen eines weiteren Rechts die bisherige Anzahl der Stimmrechte nicht berührt. Das zuvor auf das ungeteilte Recht entfallende Stimmrecht wird entsprechend der Zahl der neu entstandenen Rechte nach Bruchteilen aufgespalten und diesen zugewiesen. Beispiel: Wohnungseigentümer E unterteilt sein Wohnungseigentum in 2 Rechte und veräußert diese. Die neuen Wohnungseigentümer haben dann jeweils ½ Stimmrecht – also kein gemeinsames.
Ausnahme?
Das LG meint, es gelte etwas Anderes. Der Hinweis auf BGH, Beschluss v. 7.10.2004, V ZB 22/04, Rn. 33 – juris – ist allerdings falsch. Dort geht es um die Frage, ob es im Fall der Unterteilung einen Änderungsanspruch (sic!) – eine Klage gegen die anderen Wohnungseigentümer! – geben kann. Um einen solchen Änderungsanspruch geht es hier nicht. Das LG meint, es gebe eine Vereinbarung, dass jeder Wohnungseigentümer eine Stimme haben soll. Diese Vereinbarung ist möglich. Ich selbst kann sie aber auch mit der Lupe nicht entdecken.
6 Entscheidung
LG Berlin, Urteil v. 7.2.2023, 55 S 56/22 WEG