Leitsatz
Der Abschluss eines mit einem Risiko behafteten Geschäfts erfüllt nicht schon wegen des Risikos als solchem oder wegen des Eintritts eines Verlusts den Tatbestand der Untreue. Maßgebend ist stets die Sorgfalt des "ordentlichen Kaufmanns".
Sachverhalt
Der Angeklagte war leitender Mitarbeiter einer KGaA. Im Rahmen seiner Tätigkeit schloss er insgesamt sechs Verträge ab, die zu erheblichen Verlusten bei der Arbeitgeberin führten. Die Staatsanwaltschaft sah hierin hoch risikoreiche Finanzierungsgeschäfte ohne Bezug zum eigentlichen Geschäftsgegenstand. Auch warf sie dem Angeklagten vor, Millionenbeträge zur Zahlung freigegeben zu haben, ohne dass es die im kaufmännischen Bereich üblichen Dokumente und Handelspapiere oder auch nur ausreichende Sicherheiten gab. Das LG hatte den Angeklagten vom Vorwurf der Untreue nach § 266 StGB freigesprochen. Der BGH bestätigte diese Entscheidung.
Entscheidung
Nach den Feststellungen des BGH handelte es sich bei den verfahrensgegenständlichen Geschäftsvorfällen zwar nicht um originär in den Verantwortungsbereich des Angeklagten fallende Geschäfte, sondern um reine Handelsgeschäfte und Vorfinanzierungen durch das Unternehmen. Sie dienten der allgemeinen Marktpflege und der allgemeinen Gewinnerzielung, standen aber im Zusammenhang mit den übrigen geschäftlichen Aktivitäten der Firma, die nach gewinnträchtigen Geschäftsmöglichkeiten im asiatischen Wirtschaftsraum suchte. Da auch die Vorgesetzten des Angeklagten gegen dessen Handlungen insoweit keine Einwendungen hatten, sah der BGH in diesen Geschäften insoweit keine strafrechtliche Relevanz.
Entsprechende Folgen zog das Gericht auch nicht aus dem Risikocharakter der Geschäftsabschlüsse. Zwar handelte es sich unstreitig um so genannte Risikogeschäfte, also um Geschäfte, die für den Arbeitgeber das deutliche Risiko des Vermögensverlusts beinhalteten. Der Abschluss eines mit einem Risiko behafteten Geschäfts erfüllt aber nicht schon wegen des Wagnisses als solchem oder wegen des Eintritts eines Verlustes den Tatbestand der Untreue. Wirtschaftlich nachvollziehbare Ausgaben im Rahmen kaufmännischen Unternehmergeistes dürfen nach Auffassung des Senats nicht ohne weiteres pönalisiert werden. Ein riskantes Handeln ist in der Regel nur dann pflichtwidrig, wenn der Handelnde den ihm gezogenen Rahmen nicht einhält, insbesondere die Grenzen des verkehrsüblichen Risikos überschritten hat. Nur dann handelt es sich um strafbewehrte Risikogeschäfte.
Ein vom Untreuetatbestand erfasstes (Risiko-)Geschäft liegt regelmäßig erst dann vor, wenn der Täter bewusst und entgegen den Regeln kaufmännischer Sorgfalt eine äußerst gesteigerte Verlustgefahr auf sich nimmt, nur um eine höchst zweifelhafte Gewinnaussicht zu erhalten. Für die Beurteilung des eingeräumten Spielraums ist dabei das zugrundeliegende Treueverhältnis maßgebend, also z.B. der Inhalt des Arbeitsvertrages. Nur danach beurteilt sich, wie weit dieses Treueverhältnis das Eingehen oder Vermeiden von Verlustrisiken beinhaltet. Auch ist diese Vereinbarung allein dafür maßgebend, ob und in welchem Umfang sich eine Begrenzung der eingeräumten Dispositionsmacht daraus ergibt.
Praxishinweis
Die vom Angeklagten getätigten Geschäfte waren im Rahmen seines Geschäftsbereichs erlaubt und wurden von seinem Vorgesetzten grundsätzlich auch gebilligt. Die Verfügungsbefugnis des Angeklagten war in seinem Arbeitsvertrag nicht konkret bestimmt. Weitere Grenzen für seine Tätigkeiten wurden ihm nicht gezogen. Damit konnten seine verlustbringenden Entscheidungen nicht als ein strafrechtlich relevantes Überschreiten seiner Verfügungsbefugnis gewertet werden. Da in dem Unternehmen auch häufig umfangreiche Geschäfte nach dem Grundsatz "Vertrauen gegen Vertrauen" ohne umfangreichen Schriftverkehr oder das Beschaffen von Sicherheiten abgewickelt wurden, war selbst die fehlende Dokumentation der Einzelfälle für die strafrechtliche Beurteilung ohne Belang.
Link zur Entscheidung
BGH-Urteil vom 4.2.2004, 2 StR 355/03