Leitsatz
Der BGH hat sich in seiner Entscheidung erstmalig mit der lange diskutierten Frage nach der Wirksamkeit der sog. Startgutschriften der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder für die jüngeren Jahrgänge befasst und auseinandergesetzt. Er hält die zum Stichtag 31.12.2001 erfolgte Umstellung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes von einem endgehaltsbezogenen Gesamtversorgungssystem auf ein dem Erwerb von Versorgungspunkten beruhendes Betriebsrentensystem im Grundsatz für verfassungsgemäß.
Sachverhalt
Die Parteien stritten über die Zulässigkeit der Systemumstellung, die Wirksamkeit der Übergangsregelung für rentenferne Versicherte und die Höhe der dem Kläger erteilten Startgutschrift. Der am 10.02.1951 geborene und seit dem 01.02.1968 bei der Beklagten ununterbrochen pflichtversicherte Kläger vertrat die Ansicht, die Startgutschrift bleibe erheblich hinter dem Wert seiner bis zum Umstellungsstichtag in mehr als 33 Jahren (407 Umlagemonaten) und einer voll anzurechnenden Vordienstzeit von 22 Monaten aufgebauten, als erdienter Besitzstand besonders geschützten Rentenanwartschaft zurück. Für eine Neuberechnung, die nach seiner Auffassung zumindest eine Anwartschaft im Wert von monatlich 411,62 EUR erreichen müsste, erstrebte er u.a. eine Verpflichtung der Beklagten, zur Ermittlung der Startgutschrift bestimmte - in verschiedenen Klageanträgen näher konkretisierte - Berechnungselemente zugrunde zu legen.
Die beklagte VBL begehrte Klageabweisung und stützte ihren Antrag darauf, dass die beanstandete Übergangsregelung für rentenferne Versicherte auf eine im Tarifvertrag vom 1.3.2002 von den Tarifvertragsparteien getroffene Grundentscheidung zurückgehe. Im Übrigen wahre die erteilte Startgutschrift den verfassungsrechtlich geschützten Besitzstand des Klägers.
Das LG hat der Klage teilweise stattgegeben. Auf die Berufung beider Parteien hat das OLG festgestellt, dass die von der Beklagten erteilte Startgutschrift den Wert der vom Kläger bis zum 31.12.2001 erlangten Anwartschaft auf eine bei Eintritt des Versicherungsfalles zu leistende Betriebsrente nicht verbindlich festlege.
Mit ihrer Revision verfolgten beide Parteien ihre bisherigen Anträge weiter.
Beide Revisionen blieben im Ergebnis erfolglos.
Entscheidung
Der BGH hat im Hinblick auf die durch Art. 9 GG geschützte Tarifautonomie die Kritik des OLG in vielen Punkten zurückgewiesen. Soweit jedoch die Pauschalierung soweit gehe, die rentensteigernde Wirkung berufsspezifischer Ausbildungszeiten, die zum Ausgleich für die deshalb notwendig kürzeren Versicherungszeiten erforderlich sei, gänzlich außer Betracht zu lassen, sei darin ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu sehen. Der BGH hat in seiner Entscheidung darauf hingewiesen, dass auch ein bezügeabhängiger Steigerungssatz dem Gleichheitssatz gerecht werden könne.
Hinweis
Die Entscheidung des BGH ist für den familienrechtlichen Praktiker von erheblicher Bedeutung. Bis zur Änderung der missbilligten Regelung durch die anstehende Änderung des Tarifvertrages und die darauf folgende Satzungsänderung können die VBL und alle Versorgungen mit ähnlichem Zuschnitt über die Höhe von Versorgungen von rentenfernen Jahrgängen, die vor dem 1.1.2002 begannen und daher eine Anfangsgutschrift enthalten, keine zutreffenden Auskünfte erteilen. Sind Auskünfte bereits erteilt worden, sind neue anzufordern. Da die weit überwiegende Zahl der Berechtigten zu den rentenfernen Jahrgängen gehört und die VBL und andere Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes erhebliche Bedeutung in der familienrechtlichen Praxis haben, bedeutet dies eine erhebliche Behinderung der Versorgungsausgleichsverfahren, die in vielen Fällen zur Abtrennung der Folgesache Versorgungsausgleich nach § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO führen wird.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 14.11.2007, IV ZR 74/06