Leitsatz

Die Vereinbarung einer Abfindung für den ausscheidenden GbR-Gesellschafter auf der Grundlage des Ertragswerts des Gesellschaftsunternehmens kann unwirksam sein, wenn der Liquidationswert des Unternehmens den Ertragswert erheblich übersteigt und deshalb ein vernünftiger Gesellschafter auf der Grundlage einer Abfindung nach dem Ertragswert von dem ihm an sich zustehenden Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen würde.

 

Sachverhalt

Die Parteien sind Brüder. Zusammen mit ihrem Vater betrieben sie ein Feriendorf mit zuletzt 81 Ferienhäusern. Nach dem Tod des Vaters vereinbarten sie, das Feriendorf als GbR weiter zu betreiben. Laut Gesellschaftsvertrag sollte jeder Gesellschafter die GbR nach jeweils fünf Jahren mit sechsmonatiger Frist kündigen können. Zu den Rechtsfolgen der Kündigung heißt es in § 7 der Satzung: "Im Falle einer Kündigung scheidet der kündigende Gesellschafter aus der Gesellschaft aus. Der verbleibende Gesellschafter ist berechtigt, das Unternehmen der Gesellschaft unter Ausschluss der Liquidation zu übernehmen und fortzuführen gegen Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens an den Ausscheidenden. Bei der Feststellung des Auseinandersetzungsguthabens sind Vermögen und Schulden mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Ein Geschäftswert bleibt jedoch außer Ansatz. Das Auseinandersetzungsguthaben ist … in fünf Jahresraten auszuzahlen."

Der Kläger kündigte die Gesellschaft zum 29.7.1996. Die Parteien streiten über die Höhe des Auseinandersetzungsguthabens. Der Beklagte hält den Ertragswert für maßgeblich und hat auf dieser Grundlage 566567 DM an den Kläger gezahlt. Der Kläger meint dagegen, angesichts der geringen Rentabilität des Betriebs sei nicht der Ertragswert, sondern der Erlös maßgebend, der sich bei einer Parzellierung des Grundstücks und einem Verkauf der einzelnen Ferienhausparzellen erzielen lasse. Diesen Wert hat er auf ca. 7,1 Mio. DM veranschlagt, daraus einen restlichen Abfindungsanspruch von ca. 3,3 Mio. DM errechnet und mit der Klage geltend gemacht. Das OLG hat die Klage abgewiesen. Der BGH hob diese Entscheidung auf und verwies sie Sache zurück.

 

Entscheidung

Die Kündigungsklausel in § 7 des Gesellschaftsvertrags ist unwirksam. Bei einer auf unbestimmte Zeit eingegangenen Gesellschaft ist der Ausschluss oder die § 723 BGB zuwiderlaufende Beschränkung des Kündigungsrechts des Gesellschafters nichtig[1]. Eine Bindung ohne zeitliche Begrenzung und ohne Kündigungsmöglichkeit ist mit der persönlichen Freiheit der Gesellschafter unvereinbar, selbst wenn sich die Vertragsschließenden damit einverstanden erklärt haben[2]. Das gilt nicht nur für die Kündigung aus wichtigem Grund, sondern auch für die ordentliche Kündigung[3]. Zulässig ist zwar ein zeitweiliger Ausschluss des Kündigungsrechts, nicht aber eine Regelung, durch die an eine Kündigung derart schwerwiegende Nachteile geknüpft werden, dass ein Gesellschafter vernünftigerweise von dem ihm formal zustehenden Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen, sondern an der gesellschaftlichen Bindung festhalten wird. Ein solcher Nachteil kann darin bestehen, dass der im Fall einer Kündigung bestehende Abfindungsanspruch des Gesellschafters unzumutbar eingeschränkt wird[4].

Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Der Ertragswert beträgt nach der Feststellung des OLG ca. 2 Mio. DM. Der Liquidationswert soll sich nach dem Vortrag des Klägers dagegen auf ca. 7,1 Mio. DM belaufen. Der Beklagte kann den Kläger nicht auf den vereinbarten Ertragswert verweisen, weil dieser so sehr unter dem Liquidationswert liegt, dass ein vernünftiger Gesellschafter auf dieser Grundlage von dem ihm an sich zustehenden Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen würde. Das OLG muss jetzt weitere Feststellungen zum genauen Liquidationswert und zur Höhe des Abfindungsanspruchs treffen.

 

Praxishinweis

Der BGH lässt die strittige Frage, ob der Liquidationswert des Unternehmens stets[5] oder nur unter eingeschränkten Voraussetzungen[6] die Untergrenze für den der Abfindung zugrunde zu legenden Unternehmenswert bildet, ausdrücklich weiter offen. Er legt sich auch nicht fest, nach welcher Methode die Höhe des Unternehmenswerts ermittelt werden kann[7]. Diese Entscheidung obliegt letztlich allein dem Tatrichter.

 

Link zur Entscheidung

BGH-Urteil vom 13.3.2006, II ZR 295/04

[1] So ausdrücklich § 723 Abs. 3 BGB
[2] Insoweit ist § 138 Abs. 1 BGB zu beachten
[3] S. bereits BGH-Urteil vom 14.11.1953, II ZR 232/52, NJW 1954, S. 106
[5] So etwa Hopt, in: Baumbach/ Hopt, HGB, 32. Aufl., München 2006, Rz. 36f. vor § 1 m.w.N.
[7] S. dazu etwa BGH-Urteil vom 7.5.1986, IVb ZR 42/85, INF 1987, S. 188

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