Leitsatz

"Unzulässiger" Eigentümerbeschluss auf Abmahnung mit Androhung der Entziehung des Wohnungseigentums gegen einen querulatorischen "Serien-Anfechtungstäter"

 

Normenkette

§§ 18, 19 WEG

 

Kommentar

  1. Eine Gemeinschaft hatte auf Antrag des Verwalters folgenden Beschluss gefasst:

    "Die Eigentümergemeinschaft legitimiert die Verwaltung, den Eigentümer … abzumahnen, nicht jährlich willkürlich Beschlüsse der Gemeinschaft anzufechten und über alle Instanzen zu betreiben. Der Gemeinschaft entstehen durch überfällige und über Jahre nicht ausführbare Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen erhebliche Mehrkosten sowie Gerichts- und Anwaltskosten. Dies ist die Gemeinschaft nach über 10-jährigem Gerichtsmarathon nicht länger bereit hinzunehmen. Darüber hinaus schädigt dieser Eigentümer durch seine jährlichen Beschlussanfechtungen den Wert der Immobilie anderer Miteigentümer, da potenzielle Käufer von Wohnungen durch die Vielzahl von Gerichtsverfahren, die auch in den Protokollen dokumentiert sind, abgeschreckt werden. Sollten die Abmahnungen zu keinem Ergebnis führen, wird die Verwaltung legitimiert, eine Klärung im Verfahren nach § 43 WEG herbeizuführen. Aus diesem Grund wird die Entziehung des Wohnungseigentums des Eigentümers … angedroht und die Verwaltung legitimiert, eine im Wohnungseigentumsrecht versierte Anwaltskanzlei einzuschalten und dieser übliche Prozessvollmacht zu erteilen."

  2. Unter Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung wurde vom Senat vorzitierter Eigentümerbeschluss für "unzulässig" erklärt.
  3. Gegenüber den Antragsstellern wird durch diesen Beschluss eine Drohgebärde dahingehend erhoben, dass sie mit einem Verfahren auf Entziehung ihres Wohnungseigentums rechnen müssen, wenn sie - neuerlich - Beschlüsse anfechten. Dadurch werden sie veranlasst, ihnen missliebige Beschlüsse der Gemeinschaft hinzunehmen. Für eine solche Beschränkung der elementarsten Rechte der Wohnungseigentümer fehlt aber der Gemeinschaft die Beschlusskompetenz. Gegen willkürliche Beschlussanfechtungen sind die restlichen Eigentümer hinreichend durch § 47 WEG geschützt: Stellt das Gericht fest, dass ein Anfechtungsantrag tatsächlich willkürlich war (ihm also jede innere Berechtigung fehlte), so ist es nicht gehindert, einem Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Würde der angefochtene Beschluss fortbestehen und die Berechtigung einer Abmahnung erst im Entziehungsverfahren überprüft werden, stünde ein Antragsteller bei jeder beabsichtigten Beschlussanfechtung unter dem massiven Druck, die Entziehung seines Wohnungseigentums befürchten zu müssen, wenn er einen Beschluss der Gemeinschaft nicht hinzunehmen bereit wäre. Er wäre dann nicht mehr unbefangen in der Lage, seine sich aus der Mitgliedschaft der Wohnungseigentümergemeinschaft ergebenden Rechte wahrzunehmen.
 

Link zur Entscheidung

OLG Köln, Beschluss vom 20.02.2004, 16 Wx 7/04, NZM 7/2004, 260

Anmerkung

Offensichtlich wurde dieser Beschluss form- und fristgerecht vom "anfechtungswütigen" Eigentümer (laut "Kappus", Red. der NZM) angefochten und wegen fehlender Beschlusskompetenz für "inhaltlich unzulässig" erklärt. Der Hinweis auf "inhaltliche" Unzulässigkeit im Sinne einer Beschlussungültigkeit deutet aus meiner Sicht allerdings nicht in Richtung einer Beschlussnichtigkeit wegen fehlender formalrechtlicher Beschlusskompetenz. Materiell-rechtlich nichtig wäre der Beschluss bekanntlich ausschließlich bei etwaigem Verstoß gegen zwingendes Gesetz oder bei einem Eingriff in den sog. Kernbereich, d.h. die sachenrechtlichen Grundstrukturen des Wohnungseigentums. Vorliegend hätte m.E. nicht von einem unzulässigen Beschlussinhalt gesprochen werden dürfen, allenfalls von einem als ungültig zu erklärenden Beschluss, der inhaltlich nicht Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht.

Wenn der Senat auf hinreichenden Schutz einer Gemeinschaft durch die gerichtliche Möglichkeit entsprechender Kostenentscheidungen zu Lasten querulatorisch anfechtender Eigentümer verweist, ist dieser Hinweis zwar richtig, wird allerdings leider in der Gerichtspraxis der Tatsacheninstanzgerichte weitgehend nicht in entsprechender Weise beherzigt, wie ich dies leider aus meiner Berufserfahrung berichten muss. Nur sehr zögerlich und vereinzelt werden in solchen Fällen selbst bei rechtsmissbräuchlichen und willkürlichen Beschlussanfechtungen Antragsteller auch in die Erstattung außergerichtlicher Kosten verurteilt, oftmals auch erst nach mehreren erfolglosen Anfechtungsverfahren. Hier scheint mir richterlicher Schulungsbedarf und Mut zu entsprechenden Kosten-Nebenentscheidungen dringend erforderlich! Vgl. zu einer Abmahnung durch den Verwalter auch BayObLG v. 9.3.2004, 2Z BR 19/04.

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