Leitsatz

Verteidigungsfremdes Verhalten eines Rechtsbeistands kann zum Vorwurf der Strafvereitelung führen.

 

Sachverhalt

Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden beschuldigten Rechtsanwälten unter anderem Strafvereitelung nach § 258 StGB vor. Sie sollen mit der Behauptung, sie seien Angehörige des AG München, von den Justizbehörden in Kassel Informationen über die bevorstehende Inhaftierung eines Mandanten erlangt und an diesen weitergeben haben. Im Rahmen der Ermittlungen wurden auch die Telekommunikationsdaten der Anwaltsbüros ausgewertet[1]. Die Ermittlungsbehörden haben dabei insbesondere geprüft, ob von den Büroanschlüssen Telefonate mit der Justiz in Kassel geführt wurden. Rechtsmittel gegen diese Auswertung waren erfolglos. Das BVerfG nahm die hiergegen gerichteten Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung an.

 

Entscheidung

Strafprozessual zulässige Handlungen können gegenüber dem Verteidiger grundsätzlich nicht zum Vorwurf der Strafvereitelung führen[2]. Anders ist der Sachverhalt aber zu beurteilen, wenn der Rechtsbeistand ein nicht mehr vom Verteidigungszweck getragenes verteidigungsfremdes Verhalten an den Tag legt.

Die Weitergabe von Informationen über Maßnahmen, die von den Ermittlungsbehörden geheim gehalten werden, insbesondere die Übermittlung von Hinweisen zu einer unmittelbar bevorstehenden Verhaftung[3], ist als solches verteidigungsfremdes Verhalten einzustufen und dem Verteidiger daher strikt untersagt[4]. Dies gilt jedenfalls in den Fällen, in denen der Verteidiger seine Kenntnisse durch bewusste Täuschung des Gerichts erlangt hat. Das BVerfG lässt ausdrücklich unentschieden, ob der Berufsangehörige anders vorgehen darf, wenn er zufällig von den bevorstehenden Maßnahmen erfährt und seinen Mandanten entsprechend unterrichtet[5].

Das BVerfG hält überdies die Auswertung der Telekommunikationsdaten des Anwaltsbüros für unproblematisch. Zum einen hatte das AG den entsprechenden Beschluss schon von vornherein auf einen zeitlich eng umgrenzten Bereich, einen Vormittag, erstreckt. Zum anderen wurden die für die Ermittlungen nicht benötigten Daten sofort wieder gelöscht. Damit haben die Ermittlungsbehörden den Interessen der übrigen Mandanten der Anwälte ausreichend Rechnung getragen. Die Überwachungs- und Auswertungsmaßnahmen greifen überdies nicht unzulässig in das geschützte Verteidigungsverhältnis ein. Die Berufsangehörigen waren in der zu entscheidenden Sache selbst als Beschuldigte eines gegen sie gerichteten Strafverfahrens betroffen, nicht aber als Beistände eines Mandanten.

 

Link zur Entscheidung

BVerfG, Beschluss vom 17.06.2006, 2 BvR 1085/05, 2 BvR 1189/05

[2] Allg. Auffassung; vgl. nur Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl., München 2006, § 258 Rz. 8a
[3] Gleiches gilt z.B. für Hinweise auf bevorstehende Durchsuchungs- oder Beschlagnahmeaktionen
[4] Vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O. (Fn. 3), Rz. 12
[5] Vgl. dazu etwa Hanseatisches OLG, Beschluss vom 17.2.1987, (33) 28/86 Ns – 51 Js 85/84, n.v.; ferner Krekeler, Strafrechtliche Grenzen der Verteidigung, NStZ 1989, S. 146, 149

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