1 Leitsatz
Voraussetzung für die Berichtigung eines Urteils ist, dass eine offenbare Unrichtigkeit vorliegt, es also "auf der Hand" liegt, dass das Urteil einen Fehler aufweist, der sich entweder bereits aus dem Urteil selbst, aus den Vorgängen bei Erlass der Entscheidung oder der Prozessakte ergibt und der für das Gericht, aber auch für Dritte ohne Weiteres erkennbar ist.
2 Normenkette
§§ 319, 320 ZPO; § 43 WEG
3 Das Problem
In der Wohnungseigentumsanlage gibt es 4 Wohnungseigentümer. Wohnungseigentümer 1 und 2 erheben eine Beschlussersetzungsklage. In der Klageschrift ist als anwaltlicher Vertreter der nicht klagenden Wohnungseigentümer 3 und 4 ein Rechtsanwalt X aufgeführt. Diesem wird die Klage zugestellt. X beantragt, ohne deutlich zu machen, wen er vertritt, schriftsätzlich die Zurückweisung der Klage. Zur Begründung seines Zurückweisungsantrags nimmt er auf Anlagen Bezug, aus denen sich ergibt, dass er die beiden nicht klagenden Wohnungseigentümer vertritt. Im Protokoll der mündlichen Verhandlung wird aufgenommen, X sei mit einem der beiden nicht klagenden Wohnungseigentümer erschienen. Im Rubrum des die Klage zurückweisenden Urteils wird als Beklagte plötzlich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, vertreten durch die beiden nicht klagenden Miteigentümer aufgeführt, und X als Prozessbevollmächtigter der nicht klagenden Wohnungseigentümer. Später wird streitig, wen X vertreten hat. Das AG meint, X habe die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vertreten. So wird das Urteil berichtigt. Dagegen wenden sich die klagenden Wohnungseigentümer.
4 Die Entscheidung
Mit Erfolg! Voraussetzung für eine Berichtigung sei, dass eine offenbare Unrichtigkeit vorliege, es also "auf der Hand" liege, dass das Urteil einen Fehler aufweise, der sich entweder bereits aus dem Urteil selbst, aus den Vorgängen bei Erlass der Entscheidung oder der Prozessakte ergebe und der für das Gericht, aber auch für Dritte ohne Weiteres erkennbar sei. Hieran fehle es. Weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Verfahrensgang sei eindeutig zu erkennen, dass die beklagte Gemeinschaft der Wohnungseigentümer – und nicht die sie vertretenden Wohnungseigentümer ihrerseits – anwaltlich vertreten wurde.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um eine Wohnungseigentumsanlage, in der es keinen Verwalter gibt. Bei einer gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gerichteten Klage wird dann – nach mittlerweile geklärter Rechtslage – die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durch die Wohnungseigentümer vertreten, die nicht aufseiten der klagenden Wohnungseigentümer stehen. Es war daher richtig, dass Wohnungseigentümer 3 und 4 die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vertreten haben.
Wohnungseigentümer 3 und 4 hatten Rechtsanwalt X beauftragt. Unklar war, für wen: für sich oder für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer? Das AG meinte, im Ergebnis könne X nur für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beauftragt worden sein, da diese die Beklagte war. Das LG meint, es sei nicht so sicher. X könnte auch nur die Wohnungseigentümer 3 und 4 vertreten haben. Nach den allgemeinen Prozessrechtslehren liegt die Sichtweise des AG m. E. näher. Folgt man dem LG, war die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nie anwaltlich vertreten und hat nie Erklärungen abgegeben. Außerdem gab es nicht einmal ein Prozessrechtsverhältnis, da dann die Klage nie zugestellt worden war. So dürfte es nicht gewesen sein.
Anwaltsvertrag
In einer verwalterlosen Gemeinschaft wird bei einer Beschlussklage die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durch die Wohnungseigentümer vertreten, die nicht klagen. Diese Wohnungseigentümer können nach § 9b Abs. 1 Satz 2 WEG namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit einem Rechtsanwalt einen Anwaltsvertrag schließen. Sie müssen dabei gemeinsam handeln. § 9b Abs. 1 Satz 2 WEG ist allerdings eine Regelung der Gesamtvertretung. Dies bedeutet, dass die Wohnungseigentümer nicht beschließen können, wer von ihnen den Anwaltsvertrag schließt. Es ist aber möglich, dass alle Wohnungseigentümer einen Wohnungseigentümer bevollmächtigten, für sie zu handeln.
6 Entscheidung
LG Frankfurt a. M., Beschluss v. 11.7.2022, 2-13 T 32/22