Daniel A. Wuersch, Olaf Gerber
a) Vererblichkeit der Gesellschaftsanteile – Gesellschaftsstatut
Rz. 85
Die Frage, ob Gesellschaftsanteile überhaupt in den Nachlass fallen und welche Rechte daran begründet werden können, richtet sich nach dem Gesellschaftsstatut. Aus US-amerikanischer Sicht ist das Recht des Gründungsstaates der corporation maßgebend. Ob sich das Gesellschaftsstatut im Verhältnis zu den USA aus deutscher Sicht ebenfalls nach dem Gründungsstaat richtet oder ob der Sitzstaat maßgebend ist, war lange Zeit umstritten. Nach heute wohl h.M. ist davon auszugehen, dass im Verhältnis zu den USA die Bestimmung des Gesellschaftsstatuts nach den Grundsätzen der Gründungstheorie zu erfolgen hat (siehe Rdn 174, 176). Deutsches und US-amerikanisches Kollisionsrecht kommen danach zum gleichen Ergebnis. Die Zugehörigkeit der Anteile an einer corporation zum Nachlass richtet sich nach US-amerikanischem Recht. Dieses entscheidet darüber, ob und in welchem Umfang die Gesellschaftsanteile in den Nachlass fallen und welche gesellschaftsrechtlichen Bindungen für die Erben bzw. den Nachlassverwalter gelten. Grundsätzlich sind Anteile an einer corporation als personal property frei vererblich. Bei close corporations wird die Übertragbarkeit der Gesellschaftsanteile regelmäßig auch für den Erbfall beschränkt. Zwischen den Gesellschaftern für den Todesfall eines Gesellschafters vereinbarte Übertragungsbeschränkungen sind daher zu beachten.
Rz. 86
Es ist zwar unklar, ob vereinbarte Zustimmungserfordernisse zur Übertragung von Gesellschaftsanteilen nicht nur für Übertragungen unter Lebenden, sondern auch für den Erbfall wirken und die Übertragung im Erbfall verhindern. In der Praxis üblich sind deshalb Vereinbarungen, die den Erben bzw. den Nachlassverwalter verpflichten, die Anteile innerhalb einer bestimmten Frist nach dem Erbfall der Gesellschaft und/oder den Gesellschaftern zum Erwerb anzubieten. Ferner wird der Gesellschaft häufig auch das Recht eingeräumt, die Gesellschaftsanteile bei Tod eines Gesellschafters einzuziehen. In den Nachlass fällt dann nur noch der Abfindungsanspruch der Erben.
b) Zuordnung der Gesellschaftsanteile – Erbstatut
Rz. 87
Das Erbstatut ist maßgebend dafür, wem die Gesellschaftsanteile zustehen. In den USA gilt das Prinzip der territorialen Nachlassspaltung. Das Erbstatut bei unbeweglichem Vermögen wird nach dem jeweiligen Belegenheitsort (lex rei sitae) und bei beweglichen Vermögen nach dem letzten Domizil des Erblassers (lex domicilii) bestimmt. Dies gilt unabhängig davon, wo der bewegliche Nachlass gelegen ist. Gesellschaftsanteile an einer corporation gelten in den USA als bewegliches Vermögen, so dass hinsichtlich der Rechtsnachfolge von Todes wegen in Gesellschaftsanteile aus US-amerikanischer Sicht grundsätzlich das Domizilrecht des Erblassers Anwendung findet.
c) Besonderheiten des US-amerikanischen Nachlassverfahrens
Rz. 88
In den USA gilt das Prinzip der gesonderten Nachlassabwicklung. Danach geht der Nachlass zunächst auf ein Sondervermögen (estate) über. Dieses wird bei gesetzlicher Erbfolge von einem administrator und bei testamentarischer Erbfolge von einem executor verwaltet. Bei testamentarischer Erbfolge wird der Verwalter vom Erblasser bestimmt, bei gesetzlicher Erbfolge werden i.d.R. die Verwandten eingesetzt. Neben dem Prinzip der territorialen Nachlassspaltung gilt in den USA auch das Prinzip der funktionalen Nachlassspaltung. Alle Fragen der Abwicklung des Nachlasses werden nicht nach dem Erbstatut, sondern gesondert angeknüpft. Zur Abwicklung des Nachlasses gehören alle Bereiche, mit denen ein administrator oder executor (personal representative) befasst ist. Die Abwicklung des Nachlasses richtet sich nach dem Recht des Staates, von dessen Gericht der personal representative ernannt bzw. bestätigt wird (lex fori). Für die Nachlassabwicklung durch die von US-amerikanischen Gerichten bestellten personal representatives gilt somit das Recht des jeweils zuständigen Einzelstaates. Der in einem US-amerikanischen Staat belegene Nachlass kann somit nicht ohne ein einzelstaatliches Ernennungszeugnis abgewickelt werden und zwar auch dann nicht, wenn sich die Erbfolge nach deutschem Recht richtet. In der Praxis ist davon auszugehen, dass die Mitgesellschafter und andere von der Nachlassabwicklung betroffene Personen eine andere als die US-amerikanische Nachlassabwicklung nicht akzeptieren werden. Gehören zum Nachlass eines deutschen Erblassers Anteile an einer corporation, muss zunächst ein personal representative bestellt werden, um sodann den in den USA belegenen Nachlass nach US-amerikanischen Recht abwickeln zu können. Um die damit verbundenen Abwicklungsschwierigkeiten zu vermeiden, empfiehlt sich eine rechtzeitige Nachlassplanung. Ist in dem Gesellschaftsvertrag geregelt, dass die Gesellschaftsanteile vererbt werden können, so kann bezüglich der Gesellschaftsanteile eine Gesamthandsgemeinschaft nach US-amerikanischem Recht (joint tenancy) mit dem intendierten Nachfolger begründet werden. Beim Tod des Erblassers gehen bei einer joint tenancy die Gesellschaftsanteile automatisch im Wege der Anwachsung auf den Mitber...