Daniel A. Wuersch, Olaf Gerber
1. Einleitung des Verfahrens
Rz. 156
Eine Insolvenzantragspflicht der Geschäftsleiter kennen weder die Gesellschaftsrechte der Einzelstaaten noch das bundesrechtliche Insolvenzrecht. Sie wird als entbehrlich angesehen, weil der bundesrechtliche Bankruptcy Code (BC) ein besonderes Sanierungsverfahren vorsieht (sog. Chapter 11 Verfahren), in dem die bisherige Geschäftsleitung grundsätzlich weiterhin die Unternehmensleitung behält und daher von sich aus genügende Anreize hat, selbst ein entsprechendes Reorganisationsverfahren in einer Krise der Gesellschaft rechtzeitig einzuleiten. Anstelle der Einleitung des Reorganisationsverfahrens kann auch das Abwicklungsverfahren nach Chapter 7 beantragt werden. Neben der Einleitung eines Insolvenzverfahrens durch einen Antrag der Gesellschaft selbst (§ 301 BC) können auch Gläubiger die Einleitung eines der beiden Verfahren beantragen. Ein Antrag kann nur von mindestens drei Gläubigern gestellt werden, deren Forderungen zusammen einen periodisch angepassten Mindestbetrag aufweisen, oder, wenn die Gesellschaft weniger als 12 Gläubiger hat, von mindestens einem Gläubiger (§ 303(b) BC). Einem Gläubigerantrag wird ferner nur dann stattgegeben, wenn der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit vorliegt, d.h. wenn der Schuldner seine bestehenden Verbindlichkeiten bei Fälligkeit nicht zahlen kann bzw. wenn er bereits in der Vergangenheit seine Verbindlichkeiten nicht bedient hat oder wenn in den letzten 120 Tagen vor Antragstellung ein Treuhänder beim Schuldner zur Verwertung von Sicherungsrechten eingesetzt wurde (§ 303(h)(1)(2) BC). Überschuldung der Gesellschaft ist dagegen kein Insolvenzeröffnungsgrund.
Rz. 157
Da das Insolvenzverfahren ein bundesrechtliches Verfahren ist, ist der Antrag bei dem für den Bezirk des Sitzes der Gesellschaft zuständigen Bundesinsolvenzgericht (bankruptcy court) zu stellen.
2. Abwicklung
Rz. 158
Zweck des Abwicklungsverfahrens nach Chapter 7 ist es, die Gesellschaft zu liquidieren und den Liquidationserlös zwischen den Gläubigern zu verteilen. Gibt das Gericht dem Antrag auf Eröffnung des Verfahrens statt, ist zunächst ein vorläufiger Sachwalter (interim trustee) durch das Gericht zu bestimmen, der das Vermögen der Gesellschaft übernimmt (§ 701(a)(1) BC). In der nach Verfahrenseröffnung einzuberufenden Gläubigerversammlung wird der vorläufige Verwalter entweder als nunmehr endgültiger Verwalter (trustee) bestätigt oder durch einen neuen Verwalter ersetzt (§§ 341, 702 BC). Aufgabe des Verwalters ist es, das Vermögen der Gesellschaft so schnell wie möglich zu verwerten, wobei ihm ausnahmsweise vom Gericht auch die kurzfristige Fortführung des Unternehmens gestattet werden kann, wenn dies im besten Interesse der Gläubiger ist (§§ 704, 721 BC).
Rz. 159
Sowohl auf Antrag des Schuldners als auch auf Antrag eines Gläubigers kann das Verfahren nach Chapter 7 in ein Verfahren nach Chapter 11 überführt (conversion) werden (§ 706 BC). Mit Eingang des Antrags wird das Insolvenzgericht für das gesamte Vermögen der Gesellschaft zuständig, und zwar unabhängig davon, wo es belegen ist (§ 541(a) BC). Gibt das Insolvenzgericht dem Antrag statt, haben zunächst die Gläubiger und Gesellschafter ihre Ansprüche bzw. ihre Beteiligung beim Insolvenzgericht innerhalb einer bestimmten Frist nachzuweisen und anzumelden (§ 501 BC). Am Schluss des Verfahrens nach Chapter 7 steht die Verteilung des Erlöses an die Gläubiger. Gläubiger mit gesicherten Forderungen können entweder den vom Verwalter nicht verwerteten Sicherungsgegenstand herausverlangen oder den Verwertungserlös bis zur Höhe ihrer gesicherten Forderung (§ 506(a) BC). Der Rest des Erlöses ist an die in verschiedene Klassen eingeteilten, nicht gesicherten Gläubiger zu verteilen (§ 726 BC).
Rz. 160
Anders als bei natürlichen Personen führt die Beendigung des Verfahren bei corporations nicht zum Erlass der am Schluss der Erlösverteilung noch nicht befriedigten Forderungen (§ 727(a)(1) BC). Das bundesrechtliche Insolvenzverfahren führt allerdings auch nicht zur Auflösung und Löschung der Gesellschaft, da die Anordnung der Auflösung bzw. Löschung der Gesellschaft dem einzelstaatlichen Gesellschaftsrecht vorbehalten ist.
3. Reorganisation
Rz. 161
Zweck des Reorganisationsverfahrens nach Chapter 11 ist es, den Geschäftsbetrieb fortzuführen und das Unternehmen am Leben zu erhalten. Die Geschäftsführung der Gesellschaft bleibt grundsätzlich weiterhin im Amt und kann die Geschäfte der Gesellschaft fortführen (§ 1107 BC). Auf Antrag eines Gläubigers oder Gesellschafters kann das Insolvenzgericht einen Sachwalter (trustee) einsetzen lassen oder selbst einen Sachverständigen (examiner) zur Überprüfung der finanziellen Lage der Gesellschaft bestellen (§ 1104 BC). Für die Anmeldung der Forderungen durch die Gläubiger gelten die gleichen Grundsätze wie bei dem Verfahren nach Chapter 7 (vgl. Rdn 158).
Rz. 162
Kernstück des Verfahrens nach Chapter 11 ist die Aufstellung eines Insolvenzplans (reorganization plan). Sofern die Gesellschaft nicht bereits mit ihrem Antrag auf Eröffnung des Verfahrens einen...