Daniel A. Wuersch, Olaf Gerber
1. Fehlendes Mindestkapital
Rz. 36
Die ganz große Mehrheit der Einzelstaaten in den USA sieht kein Mindestkapitalerfordernis mehr vor. Sowohl dem Gesellschaftsrecht von Delaware als auch den Gesellschaftsrechten von Kalifornien und New York ist eine Mindestkapitalziffer fremd. Lediglich im District of Columbia und im Staat Texas ist zwingend ein Mindestkapital i.H.v. mindestens 1.000 USD aufzubringen. Diese Mindestsumme ist in den articles of incorporation anzugeben. Soweit ein Mindestkapital vorgesehen ist, haften die Mitglieder des board of directors grundsätzlich persönlich und gesamtschuldnerisch (joint and several liability) in Höhe des nicht eingezahlten Einlagebetrages für alle Verbindlichkeiten, die die Gesellschaft mit ihrer Zustimmung vor Einzahlung des Kapitals eingeht. Eine unbegrenzte Haftung der zustimmenden directors besteht somit nicht.
2. Festes Nennkapital
Rz. 37
Sowohl Delaware (§ 154 DGCL) als auch New York (§ 102(a)(12) NYBCL) kennen das Prinzip des festen Nennkapitals (stated capital oder einfach capital), dem v.a. eine ausschüttungsbegrenzende Bedeutung zukommt. Das stated capital setzt sich zusammen aus der Summe des Gesamtnennwertes aller zum Nennwert ausgegebenen Gesellschaftsanteile, zuzüglich der Gegenleistung für alle ohne Nennwert ausgegebenen Gesellschaftsanteile, abzüglich des Teils der Gegenleistung für nennwertlose Anteile, der den Rücklagen (surplus) zugewiesenen wurde, wobei nicht die gesamte Gegenleistung den Rücklagen zugewiesen werden darf. Ferner erhöht sich das stated capital um die sonstigen, dem stated capital zugewiesenen Beträge (§ 154 DGCL, §§ 102(a)(12), 506(a),(b) NYBCL). Die für die Ausgabe der Gesellschaftsanteile zuständige Geschäftsleitung (board of directors) kann mithin grundsätzlich frei darüber entscheiden, welcher Teil der Gegenleistung dem stated capital zugewiesen wird und welcher Teil dem surplus. Durch das Fehlen von Mindestkapitalvorschriften haben die Gründer es somit selbst in der Hand, die Höhe des stated capital zu bestimmen.
In Kalifornien wurden dagegen das System des festen Nennkapitals und damit auch die Unterscheidung zwischen stated capital und surplus aufgegeben. Dort ist das Gesellschaftskapital nur noch in nennwertlose Anteile eingeteilt.
3. Sicherung der Kapitalaufbringung
Rz. 38
Sofern Anteile zum Nennwert ausgegeben werden, darf der Wert der Gegenleistung den Nennwert nicht unterschreiten (§ 153(a) DGCL, § 504(c) NYBCL). Bei der Ausgabe nennwertloser Anteile kann das board of directors den Wert der Gegenleistung dagegen frei bestimmen, hier gibt es keinen Mindestausgabebetrag (§ 153(b) DGCL, § 409(a)(1) CalCC, § 504(d) NYBCL). In den articles of incorporation kann allerdings auch festgelegt werden, dass nicht das board of directors, sondern die Gesellschafter über die Höhe der Gegenleistung entscheiden (§ 153(b) DGCL, § 409(c) CalCC).
Rz. 39
Einlagegegenstand können sowohl in Delaware und New York als auch in Kalifornien neben Bareinlagen auch Sacheinlagen sein. Sacheinlagen können in Form von beweglichen und unbeweglichen Sachen, Nutzungsrechten an Grundstücken sowie in Form von bereits erbrachten Dienstleistungen erbracht werden (§ 152 DGCL, § 409(a)(1) CalCC). Zukünftige Dienstleistungen sind in Delaware und Kalifornien dagegen kein tauglicher Sacheinlagegegenstand (§ 409(a)(1) CalCC). Dagegen können in New York auch die Verpflichtung zur Erbringung zukünftiger Dienste sowie die Verpflichtung zur zukünftigen Leistung von Geld und/oder Vermögensgegenständen als Sacheinlagen erbracht werden (§ 504(a) NYBCL). Die Anteile dürfen jedoch erst dann ausgegeben werden, nachdem der dem stated capital zuzuordnende Teil des Ausgabepreises vollständig erbracht wurde (§ 504(h) NYBCL).
Rz. 40
Die Bewertung der Sacheinlagen richtet sich sowohl in Delaware und New York als auch in Kalifornien nach der sog. good faith rule. Es obliegt mithin allein den Mitgliedern des board of directors zu entscheiden, ob die erbrachte Sacheinlage den versprochenen Wert erreicht (§ 152 DGCL, § 409(b),(c) CalCC, § 504(a) NYBCL). Die Bewertung der Einlagen durch das board of directors ist sowohl für die Gesellschaft als auch für die Anteilseigner und die Gläubiger bindend und abschließend, sofern sie nicht betrügerisch (actual fraud) erfolgt (§ 152 DGCL, § 409(b) CalCC, § 504(a) NYBCL). Bei einer eklatanten Überbewertung von Sacheinlagen tendieren die Gerichte dazu, Betrug anzunehmen (constructive fraud). Im Falle des Betrugs haften die Mitglieder des board of directors den Gläubigern unmittelbar in Höhe der Differenz zwischen dem falsch festgesetzten Wert und dem tatsächlichen Wert der Einlage.
Rz. 41
Die Anteile können bereits dann ausgegeben werden, wenn nur ein Teil der geschuldeten Einlage erbracht wurde. In diesem Fall sind auf den Anteilszertifikaten der bereits geleistete und der noch ausstehende Betrag anzugeben; bei nicht verbrieften Anteilen sind diese Angaben in den Büchern der Gesellschaft festzuhalten (§ 156 DGCL, § 409(c) CalCC). Bei nur teilweiser Erfüllung ihrer Einlageverpflichtung haften die Gesellschafter für den nicht erbrachten Teil...