Daniel A. Wuersch, Olaf Gerber
Rz. 89
Entscheidungen der Gesellschafter können entweder in Gesellschafterversammlungen (shareholder meetings) oder im schriftlichen Umlaufverfahren getroffen werden.
1. Gesellschafterversammlung
Rz. 90
Primäres Willensbildungsorgan der Gesellschafter ist die Gesellschafterversammlung. Hierbei kann es sich um die jährlich einmal abzuhaltende ordentliche Gesellschafterversammlung (annual meeting) oder um außerordentliche Gesellschafterversammlungen (special meetings) handeln. Eine ordentliche Gesellschafterversammlung muss jährlich einmal stattfinden. Außerordentliche Gesellschafterversammlungen sind einzuberufen, wenn über grundlegende Entscheidungen, die der Zustimmung der Gesellschafter bedürfen, zu beschließen ist.
2. Einberufung
Rz. 91
Zuständig für die Einberufung von Gesellschafterversammlungen ist nach der gesetzlichen Regelung das board of directors (§ 211(a),(d) DGCL, § 600(d) CalCC, § 602(c) NYBCL). In den articles of incorporation oder den bylaws kann darüber hinaus bestimmt werden, wer außerdem berechtigt sein soll, außerordentliche Gesellschafterversammlungen einzuberufen (§ 211(d) DGCL, § 600(d) CalCC, § 602(d) NYBCL). In Kalifornien können außerordentliche Gesellschafterversammlung auch durch mindesten 10 % der stimmberechtigten Gesellschafter einberufen werden (§ 600(d) CalCC).
Rz. 92
Die Gesellschafterversammlungen sind unter Beachtung der relevanten Fristen und Formen einzuberufen. Die Einberufung muss mindestens 10 Tage und höchstens 60 Tage vor dem Tag der Gesellschafterversammlung erfolgen. Die Einberufung muss grundsätzlich schriftlich per Brief (written notice) erfolgen (§ 222(b) DGCL, § 601(a) CalCC). Elektronische Formen der Einberufung (Telefax, E-Mail) sind ebenfalls zulässig (§ 601(b) CalCC, § 605(a) NYBCL), in Delaware aber nur dann, wenn sich der betroffene Anteilseigner damit einverstanden erklärt hat, wobei das Einverständnis jederzeit gegenüber der Gesellschaft widerrufen werden kann (§ 232 DGCL). Der Zweck und die Beschlussgegenstände müssen in Delaware und New York bei Einberufung einer ordentlichen Gesellschafterversammlung nicht angegeben werden, sofern die articles of incorporation oder die bylaws dies nicht ausdrücklich vorsehen; in Kalifornien sollen in der Einberufung auch die Beschlussgegenstände angegeben werden (§ 222(a) DGCL, § 601(a)(2) CalCC, § 605(a) NYBCL). Bei der Einberufung von außerordentlichen Gesellschafterversammlungen ist in der Einladung der Zweck der Versammlung anzugeben und es kann in der Versammlung nur über die in der Einladung angegebenen Beschlussgegenstände abgestimmt werden (§ 222(a) DGCL, § 601(a)(1) CalCC).
Rz. 93
Einberufungsmängel sind unbeachtlich, wenn die betroffenen Gesellschafter auf eine ordnungsgemäße Einberufung verzichten, wobei der Verzicht vor und nach der Beschlussfassung erfolgen kann (§ 229 DGCL, § 601(e) CalCC, § 606 NYBCL). Als Verzicht gilt stets das Erscheinen eines Gesellschafters in der Gesellschafterversammlung, sofern er den Mangel nicht sofort zu Beginn der Versammlung rügt (§ 229 DGCL, § 601(e) CalCC, § 606 NYBCL).
Rz. 94
Wird eine ordentliche Gesellschafterversammlung, in der die Mitglieder des board of directors gewählt werden sollen, nicht zu dem in den articles of incorporation oder den bylaws vorgesehenen Termin einberufen, kann jeder director oder jeder Gesellschafter nach Ablauf von 30 Tagen eine gerichtliche Einberufung der Gesellschafterversammlung verlangen. Ist kein fester Termin für die nächste ordentliche Gesellschafterversammlung vorgesehen, kann nach Ablauf von 13 Monaten seit der letzten ordentlichen Gesellschafterversammlung eine gerichtliche Einberufung beantragt werden (§ 211(c) DGCL). § 600(c) CalCC und § 603 NYBCL enthalten eine ähnliche Regelung, wobei hier nur die Gesellschafter eine Einberufung verlangen können.
3. Verfahren
Rz. 95
Über den Ablauf von Gesellschafterversammlungen finden sich nur vereinzelt gesetzliche Regelungen. Typischerweise wird dieser Bereich in den bylaws geregelt. Die Gesellschafterversammlung muss nicht zwingend als Präsenzveranstaltung stattfinden. In Delaware und Kalifornien können Gesellschafterversammlungen auch vollständig unter der Verwendung von elektronischen Medien (Videokonferenz, Internet) abgehalten werden (§ 211(a)(2)b DGCL, § 600(e) CalCC). Es muss dabei lediglich sichergestellt sein, dass die Identität der teilnehmenden Gesellschafter bestimmt werden kann und diese ihre Rechte auch entsprechend ausüben können. Die Gesellschafter müssen nicht selbst an einer Gesellschafterversammlung teilnehmen. Jeder Gesellschafter kann auch einen Dritten bevollmächtigen, ihn in der Gesellschafterversammlung zu vertreten und sein Stimmrecht auszuüben (§ 212(b) DGCL, § 705(a) CalCC, § 609 NYBCL).
4. Beschlussfähigkeit (Quorum)
Rz. 96
Nach der gesetzlichen Regel ist eine Gesellschafterversammlung nur beschlussfähig, wenn mindestens die Mehrheit aller abzugebenden Stimmen anwesend oder vertreten ist (§ 216(1) DGCL, § 602(a) CalCC, § 608(a) NYBCL). Hängt ein Beschluss von der gesonderten Zustimmung einer oder mehrerer Aktiengattungen ab, muss die Mehrheit der abzuge...