Leitsatz
1. Tätigkeiten, die die Übersendung eines Sets mit der Ausrüstung zur Entnahme von Nabelschnurblut Neugeborener, die Analyse und die Aufbereitung dieses Bluts sowie ggf. die Lagerung der in diesem Blut enthaltenen Stammzellen zum Zweck ihrer etwaigen zukünftigen therapeutischen Verwendung umfassen und die nur sicherstellen sollen, dass für den ungewissen Fall, dass eine Heilbehandlung erforderlich wird, ein Behandlungsmittel zur Verfügung steht, an sich aber nicht der Diagnose, Behandlung oder Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen, fallen weder in ihrer Gesamtheit noch einzeln unter den Begriff "Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen" i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL oder unter den Begriff "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" in Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL. Für die Analyse von Nabelschnurblut gilt dies nur dann nicht, wenn sie tatsächlich dazu dient, eine ärztliche Diagnose zu erstellen, was gegebenenfalls vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.
2. Der Begriff der mit "Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen … eng verbundene[n] Umsätze" i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL ist so auszulegen, dass er keine Tätigkeiten wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden erfasst, die in der Übersendung eines Sets mit der Ausrüstung zur Entnahme von Nabelschnurblut Neugeborener, der Analyse und der Aufbereitung dieses Bluts sowie ggf. der Lagerung der in diesem Blut enthaltenen Stammzellen zum Zweck einer möglicherweise künftigen therapeutischen Verwendung bestehen, mit der diese Tätigkeiten nur eventuell verbunden sind und die weder stattgefunden noch begonnen hat noch geplant ist.
Normenkette
Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c MwStSystRL (vgl. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c, § 4 Nr. 14 UStG)
Sachverhalt
Future Health Technologies erbrachte im Wesentlichen folgende Leistungen: die Übersendung eines Sets zur Entnahme von Nabelschnurblut Neugeborener, die Analyse und die Aufbereitung dieses Bluts sowie ggf. die Lagerung von in diesem Blut enthaltenen Stammzellen zum Zweck ihrer etwaigen zukünftigen therapeutischen Verwendung.
Entscheidung
Die Übersendung eines Sets mit der Ausrüstung zur Entnahme von Nabelschnurblut, die Analyse und die Aufbereitung dieses Bluts sowie gegebenenfalls die Lagerung der in diesem Blut enthaltenen Stammzellen dienen weder in ihrer Gesamtheit noch einzeln unmittelbar tatsächlich dem Zweck, Krankheiten oder Gesundheitsstörungen zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen, und ebenso wenig dienen sie tatsächlich dem Zweck, die Gesundheit zu schützen, aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen.
Zwar kann die Erkennung einer Krankheit einer der möglichen Zwecke einer Entnahme von Nabelschnurstammzellen sein. Sollen die Tätigkeiten lediglich sicherstellen, dass für den ungewissen Fall, dass eine Heilbehandlung erforderlich wird, ein besonderes Behandlungsmittel zur Verfügung steht, dienen sie an sich aber nicht der Abwendung, Vermeidung oder Verhütung von Krankheiten, Verletzungen oder Gesundheitsstörungen oder der Erkennung latenter oder beginnender Krankheitszustände. Der EuGH weist – obwohl es lediglich ein Argument der Klägerin war – ausdrücklich darauf hin, dass die Kryokonservierung von lebenden Teilen eines menschlichen Körpers, auch wenn sie von diesem Körper getrennt sind, als solche keine prophylaktische Heilbehandlung sei.
Hinweis
Der Rechtsstreit betrifft die USt bei Leistungen im Zusammenhang mit der Gewinnung von Stammzellen und umsatzsteuerrechtlich – da hinsichtlich der Qualifikation der Klägerin keine Zweifel bestanden – die Frage, ob es sich dabei um eine Heilbehandlung oder eine Heilbehandlung in "Form" einer Krankenhausbehandlung handelt.
1. Zur Konkretisierung des Begriffs der Krankenhausbehandlung kann auf die Praxis-Hinweise zum Urteil C-262/08 (BFH/PR 2010, S. 339) verwiesen werden. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der 6. EG-RL und Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c MwStSystRL sind in gleicher Weise auszulegen.
2. Gleiches gilt für den Begriff der mit "Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen eng verbundenen Umsätze".
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 10.06.2010, C-86/09 – Future Health Technologies Ltd –