Detlef Burhoff, Annika Hirsch
Rdn 5055
Literaturhinweise:
Beulke, Der Verteidiger im Strafverfahren – Funktion und Rechtsstellung, 1980
Beulke/Ruhmannseder, Die Strafbarkeit des Verteidigers, 2. Aufl., 2010
Böhm, "Verteidigerfremdes Verhalten" – Neue Wege zur Ausschließung lästiger Strafverteidiger?, NJW 2006, 2371
Burhoff, Der Ausschluss des Verteidigers im Strafverfahren (§§ 138a ff. StPO), StRR 2012, 404
Dahs, Ausschließung und Überwachung des Strafverteidigers – Bilanz und Vorschau, NJW 1975, 1385
ders., Das "Anti-Terroristen-Gesetz" – eine Niederlage des Rechtsstaats, NJW 1976, 2145
Dencker, Die Ausschließung des Pflichtverteidigers, NJW 1979, 2176
Frye, Die Ausschließung des Verteidigers – Ein systematischer Überblick, wistra 2005, 86
Kröpil, Zum Begriff des Missbrauchs in den §§ 241 Abs. 1, 138a Abs. 1 Nr. 1 StPO, JZ 1997, 315
ders., Zum Meinungsstreit über das Bestehen eines allgemeinen strafprozessualen Missbrauchsverbots, JuS 1997, 355
Mehle, "Der Fall Rechtsanwalt W." – eine (kommentierte) Dokumentation zur Ausschließung eines Strafverteidigers, StraFo 1995, 73
Parigger, Die Ausschließung des Strafverteidigers de lege lata – de lege ferenda, in: Festgabe für L. Koch, 1989 S. 199
Remagen-Kemmerling, Der Ausschluß des Strafverteidigers in Theorie und Praxis, 1992
Seelmann, Die Ausschließung des Verteidigers, NJW 1979, 1128.
Rdn 5056
1. Der Ausschluss des Verteidigers ist in den §§ 138a–138d geregelt. Die gesetzliche Regelung, die 1978 in Kraft getreten ist, war zu Anfang sehr umstr. (zahlr. Lit.-Hinw. bei Dahs, [5. Aufl.], vor Rn 34; Beulke, S. 223 ff. m.w.N.; Parigger, S. 199 ff. m. zahlr. weit. Nachw.), inzwischen ist die Diskussion aber abgeflacht. Nach Auffassung des BVerfG sind die Vorschriften mit dem GG vereinbar (BVerfG NJW 1975, 2341; zuletzt HRRS 2009, Nr. 299). Einen allgemeinen Überblick über die §§ 138a ff. geben Remagen-Kemmerling, a.a.O., Burhoff StRR 2012, 404 sowie Frye wistra 2005, 86).
Rdn 5057
2.a) Die Ausschließung des Verteidigers ist in den §§ 138a ff. abschließend geregelt (Meyer-Goßner/Schmitt, § 138a Rn 1; LG Hamburg, Beschl. v. 24.5.2022 – 606 Qs 13722, StV 2023, 162). Andere Verfehlungen als die in § 138a genannten Ausschließungsgründe rechtfertigen, auch wenn sie grob berufswidrig oder sogar strafbar sind, wie z.B. eine Beleidigung oder Bedrohung des Gerichts, den Ausschluss nicht. Das gilt auch, wenn der Verteidiger in der HV als Zeuge vernommen werden soll (Meyer-Goßner/Schmitt, vor § 48 Rn 18 m.w.N.; LR-Ignor/Bertheau, § 48 Rn 45; Burhoff, HV, Rn 3884 ff.). Wird ein Rechtsanwalt von einem Mitbeschuldigten oder nach Eröffnung des Hauptverfahrens von einem Mitangeklagten als Verteidiger gewählt, wird er zurückgewiesen, und nicht nach den §§ 138a ff. ausgeschlossen (BGH StV 1996 469, für Hauptverfahren). Ein ggf. laufendes Ausschließungsverfahren wird dann i.d.R. gegenstandslos (BGH wistra 2011, 149). Ist der Verteidiger allerdings Mitbeschuldigter, wird er im EV durch Beschluss des OLG ausgeschlossen (OLG Hamm NStZ-RR 2008, 252 m.w.N. zur a.A., wie z.B. OLG Celle NJW 2001, 3564 [durch Beschluss des erkennenden Gerichts zurückgewiesen]; auch BGH wistra 2000, 311 und Beschl. v. 18.4.2020 – 2 ARs 542/17, StV 2020, 147).
Rdn 5058
b) Ausgeschlossen werden können alle Verteidiger i.S.d. § 138 Abs. 1 (→ Verteidiger, Begriff, Teil V Rdn 5111), sowie die nach § 138 Abs. 2 zugelassenen. § 138a Abs. 1 gilt auch für den Pflichtverteidiger (BGHSt 42, 94; OLG Bamberg OLGSt StPO § 138c Nr. 3; OLG Zweibrücken OLGSt StPO § 138a Nr. 10; Meyer-Goßner/Schmitt, § 138a Rn 3 m.w.N; Dahs, Rn 42), die mit Zustimmung des Beschuldigten unterbevollmächtigten Verteidiger sowie schließlich ebenfalls für die nach § 392 Abs. 1 AO zu Verteidigern gewählten Angehörigen steuerberatender Berufe (OLG Karlsruhe NJW 1975, 943; → Verteidiger, Mitarbeit von Dritten bei der Verteidigung, Teil V Rdn 5192). Ein Zeugenbeistand wird nicht nach den §§ 138a ff. ausgeschlossen; für ihn gilt § 68b Abs. 1 S. 3, 4 (→ Vernehmungsbeistand, Teil V Rdn 5016).
☆ Der Verteidiger muss sich immer überlegen , ob er es auf ein Ausschlussverfahren ankommen lässt. Im Zweifel wird er sich – schon im Interesse des Mandanten für die freiwillige → Verteidiger , Niederlegung des Mandats , Teil V Rdn 5200 , entscheiden (müssen) (so auch Dahs , Rn 43).überlegen, ob er es auf ein Ausschlussverfahren "ankommen" lässt. Im Zweifel wird er sich – schon im Interesse des Mandanten für die freiwillige → Verteidiger, Niederlegung des Mandats, Teil V Rdn 5200, entscheiden (müssen) (so auch Dahs, Rn 43).
Siehe auch: → Verteidiger, Ausschluss, Aufhebung, Teil V Rdn 5059; → Verteidiger, Ausschluss, Ausschließungsgründe, Teil V Rdn 5066; → Verteidiger, Ausschluss, Grad des Verdachts, Teil V Rdn 5078; → Verteidiger, Ausschluss, Rechtsmittel, Teil V Rdn 5083; → Verteidiger, Ausschluss, Verfahren, Teil V Rdn 5089; → Verteidiger, Ausschluss, Wirkung, Teil V Rdn 5105.