Detlef Burhoff, Annika Hirsch
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Hinsichtlich der Zulässigkeit der Vertretung des Verteidigers in der HV ist zu unterscheiden zwischen Wahlanwalt und Pflichtverteidiger. |
2. |
Der Wahlverteidiger kann sich in der HV in Untervollmacht durch einen anderen Rechtsanwalt vertreten lassen. |
3. |
Der Wahlverteidiger hat gem. § 139 die Möglichkeit, sich auch durch einen Referendar mit einer Ausbildungszeit von einem Jahr und drei Monaten vertreten zu lassen. |
4. |
Der Pflichtverteidiger kann sich grds. nicht durch einen Unterbevollmächtigten (in der HV) vertreten lassen. |
5. |
Der Pflichtverteidiger kann sich – auch nicht mit Zustimmung des Vorsitzenden – auch nicht durch einen Referendar vertreten lassen. |
Rdn 3915
Literaturhinweise:
Burhoff, Persönlicher Geltungsbereich des Teils 4 VV RVG, eine Bestandsaufnahme der Rechtsprechung, RVGreport 2011, 85
ders., Anwaltsvergütung für die Tätigkeit als Terminsvertreter im Strafverfahren, RVGreport 2017, 242
Kotz, Eine Lanze für den Underdog – Zur Vergütungslage des bestellten Terminsvertreters in Strafsachen, StraFo 2008, 412
Schnarr, Der bevollmächtigte Pflichtverteidiger und sein Stellvertreter, NStZ 1996, 214
s.a. die Hinw. bei → Pflichtverteidiger, Bestellung in der Hauptverhandlung, Teil P Rdn 2451, bei → Verteidiger, Vertretung des Angeklagten, Teil V Rdn 3905, und bei → Verteidiger, Vollmacht des Verteidigers, Teil V Rdn 3923.
Rdn 3916
1. Hinsichtlich der Zulässigkeit der Vertretung des Verteidigers in der HV ist zu unterscheiden zwischen Wahlanwalt (Teil V Rdn 3917 ff.) und Pflichtverteidiger (Teil V Rdn 3920 ff.).
Rdn 3917
2. Der Wahlverteidiger kann sich in der HV in Untervollmacht durch einen anderen Rechtsanwalt vertreten lassen (BGHSt 59, 284 m. Anm. Barton StRR 2015, 62; StraFo 2006, 454; eingehend Allgayer NStZ 2016, 192 ff.; zur Unterbevollmächtigung allgemein Burhoff, EV, Rn 4994 ff.). Das bietet sich insbesondere bei Terminskollisionen und auswärtigen HV-Terminen, die der Verteidiger nicht unbedingt wahrnehmen möchte, an. Erforderlich ist die Zustimmung des Angeklagten (OLG Hamm JMBl. NW 1980, 83; Dahs, Rn 125), der i.d.R. die Berechtigung zur Erteilung einer Untervollmacht bereits in der Verteidigervollmacht generell erteilt (→ Verteidiger, Vollmacht des Verteidigers, Teil V Rdn 3923; s.a. Burhoff, EV, Rn 4994 ff., 4561 ff.). Die Untervollmacht braucht ebenso wie die Hauptvollmacht nicht unbedingt schriftlich nachgewiesen zu werden (OLG Düsseldorf StraFo 1998, 227; OLG Hamm, a.a.O.; auch OLG Celle DAR 2010, 708 für den Nachweis der Unterbevollmächtigung durch den Verteidiger in der HV des Bußgeldverfahrens). Die Untervollmacht kann beschränkt sein (vgl. die Fallgestaltung bei OLG Brandenburg, Beschl. v. 8.5.2023 – 1 ORbs 166/23). Eine Vertretung (des Betroffenen in der HV i.S. des §§ 73 Abs. 3 OWiG setzt den Nachweis der Vertretungsvollmacht voraus; im Falle einer Untervertretung genügt es hierfür nicht, wenn zwar eine vom Wahlverteidiger dem Untervertreter erteilte Vollmacht zu den Akten gelangt ist, aber keine dem Wahlverteidiger erteilte Vertretungsvollmacht nachgewiesen ist (BayObLG, Beschl. v. 6.1.2022 – 202 ObOWi 1110/22, zfs 2023, 288).
☆ Auch der Rechtsanwalt, der nur für einen Termin als sog. Terminsvertreter tätig ist, rechnet nach h.M. seine gesetzlichen Gebühren nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG und nicht etwa nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG ab. Ob er allerdings grds. auch die Grundgebühr (Nr. 4100 VV RVG), die gerichtliche Verfahrensgebühr und die Terminsgebühr erhält, ist in der obergerichtlichen Rspr. umstritten (zu den gebührenrechtlichen Problemen bei der Beiordnung des sog. Terminsvertreters Burhoff/Volpert/ Burhoff , RVG, Vorbem. 4.1. VV Rn 25 ff. und Nr. 4100 VV Rn 8, jeweils m.zahlr. N. aus der Rspr. sowie Burhoff RVGreport 2011, 85; Gerold/Schmidt/ Burhoff , VV Teil 4 Abschnitt 1: Gebühren des Verteidigers, Einl. Rn 9 ff.; Kotz StraFo 2008, 412). Zutreffend ist im Hinblick auf die Stellung des Vertreters als Verteidiger mit vollem Verteidigungsauftrag die erste Auffassung.Terminsvertreter tätig ist, rechnet nach h.M. seine gesetzlichen Gebühren nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG und nicht etwa nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG ab. Ob er allerdings grds. auch die Grundgebühr (Nr. 4100 VV RVG), die gerichtliche Verfahrensgebühr und die Terminsgebühr erhält, ist in der obergerichtlichen Rspr. umstritten (zu den gebührenrechtlichen Problemen bei der Beiordnung des sog. Terminsvertreters Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Vorbem. 4.1. VV Rn 25 ff. und Nr. 4100 VV Rn 8, jeweils m.zahlr. N. aus der Rspr. sowie Burhoff RVGreport 2011, 85; Gerold/Schmidt/Burhoff, VV Teil 4 Abschnitt 1: Gebühren des Verteidigers, Einl. Rn 9 ff.; Kotz StraFo 2008, 412). Zutreffend ist im Hinblick auf die Stellung des "Vertreters" als Verteidiger mit vollem Verteidigungsauftrag die erste Auffassung.
Rdn 3918
3.a) Der Wahlverteidiger hat gem. § 139 die Möglichkeit, sich auch durch einen Referendar mit einer Ausbildungszeit von einem Jahr und drei Monaten vertreten zu lassen. Dazu bedarf er der Zusti...