Dipl.-Kfm. Hans-Joachim Rux
Rz. 512
Sieht der Gesellschaftsvertrag einer GmbH & Co. KG einen Vorabgewinn der Komplementär-GmbH für die Übernahme der Geschäftsführung der KG vor, die von einem Kommanditisten der KG als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH erbracht wird, so ist der betreffende Betrag gemäß dem BFH-Urteil v. 28.5.2020, IV R 11/18, DB 2020, 2214 nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht der Komplementär-GmbH, sondern dem die Geschäfte führenden Kommanditisten zuzurechnen. Dies gilt unabhängig davon, ob die GmbH dem Kommanditisten ein Entgelt für seine Tätigkeit schuldet.
Sachverhalt
Zur Geschäftsführung und Vertretung einer im Jahr 2013 durch Umwandlung der D-GmbH entstandenen GmbH & Co. KG war ausschließlich die Komplementär-GmbH berechtigt und verpflichtet. Eine Beteiligung der Komplementär-GmbH am Kapital der KG bestand nicht. Kommanditisten der KG waren zu gleichen Teilen B und C. Beide waren auch zu gleichen Teilen alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und waren zuvor zu gleichen Teilen die alleinigen Anteilseigner und Geschäftsführer der D-GmbH. Dort hatten sie aufgrund bestehender Anstellungsverträge monatliche Festgehälter bezogen. Anders als bei der D-GmbH bestanden zwischen der Komplementär-GmbH und ihren Gesellschafter-Geschäftsführern, den Kommanditisten der KG, keine Geschäftsführer-Anstellungsverträge mehr. Die Gewinnverteilung auf Ebene der KG war u. a. so geregelt, dass die Komplementär-GmbH für die Geschäftsführung und die Übernahme der persönlichen Haftung einen jährlichen Vorabgewinn i. H. v. 200.000 EUR erhalten sollte.
Nach einer Außenprüfung erkannte das FA die gesellschaftsvertragliche Gewinnverteilung in Bezug auf die Vorabvergütung der Komplementär-GmbH für Besteuerungszwecke nicht an. In seinem Gewinnfeststellungsbescheid 2014 wies es den der Komplementärin als Vorabgewinn zugerechneten Betrag von 200.000 EUR je hälftig den Kommanditisten als Gewinnanteil zu. Für die Komplementärin berücksichtigte das FA eine Haftungsvergütung i. H. v. 1.250 EUR.
BFH-Grundsätze
Ein der Komplementär-GmbH für die Geschäftsführung zugewiesener "Vorabgewinn" ist dem die Leistung erbringenden Kommanditisten nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Hs. 1 EStG zuzurechnen, mit der Folge, dass ein Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, der zugleich Kommanditist ist, keine Gewinne der KG einer Besteuerung nach den Grundsätzen für die Personengesellschaft entziehen könne. Die Geschäftsführervergütung ist nicht nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel, sondern entsprechend Anteil an der Geschäftsführung "im Dienst" der KG zuzurechnen.
Bedeutung für die Praxis (RiBFH Dipl.-Kfm. Walter Bode in DB 2020, 2214): Die Tätigkeitsvergütung des Kommanditisten einer GmbH & Co. KG, der zugleich Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ist, wird nach st. Rspr. des BFH von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Hs. 2 EStG erfasst, weil er aus einkommensteuerrechtlicher Sicht "im Dienst" der KG tätig wird und damit die unternehmerische Leistung der Geschäftsführung der KG nicht von der Komplementär-GmbH, sondern von dem Kommanditisten erbracht wird. Das gilt jedenfalls insoweit, als sich der Unternehmensgegenstand der Komplementär-GmbH auf die Führung der Geschäfte der KG beschränkt, und zwar sowohl für den Fall, dass der Kommanditist die Vergütung für seine Tätigkeit als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH unmittelbar von der KG erhält, als auch für den Fall, dass er die Vergütung von der Komplementär-GmbH bezieht, die ihrerseits insoweit Ersatz von der KG erhält. Diese Erwägungen hat der BFH nun auch für die Auslegung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Hs. 1 EStG, der "Gewinnanteile" u. a. der Gesellschafter einer KG als Mitunternehmer den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuordnet, fruchtbar gemacht. Weil die unternehmerische Leistung der Geschäftsführung der KG aus einkommensteuerrechtlicher Sicht von dem Kommanditisten erbracht wird, ist nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Hs. 1 EStG auch ein der Komplementär-GmbH für die Geschäftsführung zugewiesener "Vorabgewinn" dem die Leistung erbringenden Kommanditisten selbst dann zuzurechnen, wenn die Komplementär-GmbH dem Kommanditisten als Geschäftsführer kein Entgelt für seine Tätigkeit schuldet. Aus Sicht der Komplementär-GmbH handelt es sich insoweit nicht um eine Sondervergütung oder Gewinnzuweisung der KG, die bei ihr der KSt unterworfen wird, sondern um eine verdeckte Einlage ihres Gesellschafters, der zugleich Kommanditist der KG ist.
Es kommt zu einer (bewussten) Ungleichbehandlung zu einem Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementärin, der nicht zugleich Kommanditist der KG ist. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG will – so der BFH – verhindern, dass Gewinne der KG der Besteuerung nach den Grundsätzen für Personengesellschaften entzogen werden. Die getrennte Betrachtung mehrerer Funktionen desselben Personenkreises muss hinter die besondere Stellung der Kommanditisten zurücktreten. Damit wird den Mitunternehmern die Möglichkeit genommen, Teile des Gewinn...