Das Wichtigste in Kürze:

1. Nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) können Zeugnisse oder Gutachten enthaltende Erklärungen öffentlicher Behörden verlesen werden.
2. Der Begriff "öffentliche Behörden" i.S.d. § 256 Abs. 1 Nr. Buchst. a) richtet sich nach öffentlichem Recht.
3. Die Zeugnisse und Gutachten müssen von der Behörde stammen.
4. Verlesbar sind Zeugnisse und Gutachten.
5. Die Verlesung wird vom Vorsitzenden angeordnet. Es handelt sich um eine Maßnahme der Verhandlungsleitung.
 

Rdn 3462

 

Literaturhinweise:

Cramer, Anmerkung zu § 81f II 3 StPO – Geheimhaltungsschutz und Gutachtenverweigerung, NStZ 1998, 498

Dostmann, Die Rechtsstellung des Kriminalbeamten (beim Landeskriminalamt) als Sachverständiger im Strafverfahren unter besonderer Berücksichtigung dienstrechtlicher Vorschriften, DVBl. 1974, 153

Foth/Karcher, Überlegungen zur Behandlung des Sachbeweises im Strafverfahren, NStZ 1989, 166

Gramlich, Von der Postreform zur Postneuordnung, NJW 1994, 2785

Hanack, Zum Problem der persönlichen Gutachterpflicht, insbesondere in Kliniken, NJW 1961, 2041

Krüger, Erklärungen von Behörden, Sachverständigen und Ärzten im Strafprozess, in: Festgabe für Imme Roxin, 2012, S. 601

Meyer-Mews, Wider die "Leseritis" – kurze Abhandlung zur Verlesung von Behördengutachten in der Hauptverhandlung, StraFo 2013, 497

Schünemann, "Dienstliche Äußerungen" von Polizeibeamten im Strafverfahren, DRiZ 1979, 101

Tondorf, Anm. zum Urteil des OVG Münster vom 28.10.1981 – zugleich Gedanken über die Rechtmäßigkeit des gerichtsärztlichen Ausschusses (GA) in Nordrhein-Westfalen, StV 1982, 432.

 

Rdn 3463

1. Nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) können Zeugnisse oder Gutachten enthaltende Erklärungen öffentlicher Behörden (dazu Teil V Rdn 3464 ff.) verlesen werden. Im Einzelnen gilt:

 

Rdn 3464

2. Der Begriff "öffentliche Behörden" i.S.d. § 256 Abs. 1 Nr. Buchst. a) richtet sich nach öffentlichem Recht (Meyer-Goßner/Schmitt, § 256 Rn 12 m.w.N.; Meyer-Mews StraFo2012, 497, 498; vgl. a. OLG Schleswig StV 2015, 541).

Dazu folgende Rechtsprechungsbeispiele:

 

Rdn 3465

 

für "öffentliche Behörden"

das BKA und die Landeskriminalämter (BGH NJW 1968, 206),
das Bundesamt für Wirtschaft (s. BGHSt 41, 348 ff.),
die Deutsche Bundesbank und die Landeszentralbanken (RGSt 63, 122),
Ärzte eines gerichtsärztlichen Dienstes, der keine Behörde ist, stehen Behörden gleich, wie z.B. die bayerischen LG-Ärzte (Meyer-Goßner/Schmitt, § 256 Rn 5 m.w.N.),
ein Gerichtvollzieher, wenn er vom aufsichtsführenden Richter des AG zur Erteilung von Auskünften ermächtigt worden ist (BayObLGSt 2001, 157 [für schriftliche Auskünfte über eingegangene Vollstreckungsaufträge]),
für die Gerichtshilfe offengelassen von BGH NStZ 2008, 709,
staatliche Gesundheitsämter (BGHSt 1, 94, 97; BGH MDR 1955, 397 [D]),
Handels- und Handwerkskammer (RGSt 52, 198),
öffentliche Kliniken und Krankenhäuser (BGH NStZ 1984, 231; NStZ-RR 2003, 4 [Be]),
"Opiumstelle" des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) (OLG Hamburg, Beschl. v. 24.7.2018 – 1 Rev 29/18, StraFo 2019, 28),
die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Berlin (OLG Koblenz NJW 1984, 2424),
(früher) Postämter (KG VRS 14, 453),
die rechtsmedizinischen Institute der Universitäten (vgl. u.a. BGH NJW 1967, 299; NStZ-RR 2001, 262 [Be; zugleich auch mit Ausführungen zur besonderen Verlässlichkeit der Sektionsprotokolle]; s.a. noch BGH StV 2015, 534),
meteorologische Institute und Wetterämter (RG Recht 1917, 964).
 

Rdn 3466

 

keine "öffentliche Behörde"

Berufsgenossenschaften (RGSt 34, 367),
die Nachfolgeorganisationen der Deutschen Bundespost (Meyer-Goßner/Schmitt, § 256 Rn 14; KK-Diemer, § 256 Rn 5; s.a. Gramlich NJW 1994, 2787),
die "Dienstliche Äußerung" eines Polizeibeamten, da es sich dabei um eine persönliche Erklärung des die Äußerung verfassenden Beamten handelt (Schünemann DRiZ 1979, 107),
Krankenhäuser, die als GmbH betrieben werden (BGH NStZ 1988, 19 [Pf/M]; StV 2015, 553),
Krankenhäuser in der Trägerschaft eines konfessionellen Ordens (BGH NStZ 2010, 585),
Notare (RGSt 18, 246),
Technische Überwachungsvereine (BayObLG NJW 1955, 1042 [Ls.]; OLG Köln NJW 1963, 2284).
 

Rdn 3467

3. Die Zeugnisse und Gutachten müssen von der Behörde stammen. Das ist der Fall, wenn der Erklärende die Behörde repräsentiert (BGH StV 1987, 285 [für Polizeipräsident]; OLG Karlsruhe NJW 1973, 1426 [für Aufnahmearzt einer Landesfrauenklinik, der Facharzt für Gynäkologie ist]; OLG Schleswig StV 2015, 41 für Emails einer ausländischen Behörde). Der Erklärende muss allgemein oder aufgrund besonderer Anordnung zur Vertretung der Behörde berechtigt (BGH NStZ 1984, 231) und die Erklärung muss vom Behördenleiter oder in dessen Vertretung von einem dazu Befugten unterschrieben sein (BGH NStZ 2010, 585; NStZ-RR 2003, 4 [Be]; OLG Hamburg, Beschl. v. 24.7.2018 – 1 Rev 29/18, StraFo 2019, 28; OLG Köln NStZ 1996, 245 [für Verlesbarkeit und Würdigung eines Sprengberichts und Würdigung eines Waffengutachtens des Regierungspräsidenten]). Das ...

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