Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Verlesung von richterlichen (Vernehmungs-)Protokollen ist nach § 251 Abs. 2 unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt.
2. Entscheidend für die Zulässigkeit der Verlesung eines früheren Vernehmungsprotokolls gem. § 252 ist die Stellung, die die Auskunftsperson bei einer Vernehmung im gegenwärtigen Verfahren einnehmen würde.
3. I.d.R. handelt es sich, wenn es um die Verlesung von richterlichen (Vernehmungs)Protokollen geht, um richterliche Protokolle aus dem EV, um Protokolle aus einer früheren HV, auch wenn diese nur nach § 273 Abs. 2 protokolliert worden sind, oder um Vernehmungen aus anderen (Straf-)Verfahren. Die Protokolle müssen ordnungsgemäß zustande gekommen sein.
4. § 251 Abs. 2 Nr. 1 erlaubt die Verlesung bei Krankheit, Gebrechlichkeit oder anderen nicht zu beseitigenden Hindernissen.
5. Nach § 251 Abs. 2 Nr. 2 ist die Verlesung erlaubt, wenn einem Zeugen oder SV das Erscheinen in der HV wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann.
6. § 251 Abs. 2 Nr. 3 erlaubt die Verlesung schließlich, wenn der StA, der Verteidiger, der Angeklagte und ggf. weitere Prozessbeteiligte, nicht aber der Neben- oder Privatkläger, mit der Verlesung einverstanden sind.
7 Für das Verfahren gelten die Ausführungen zur Verlesung von Protokollen und Urkunden aller Art nach § 251 entsprechend.
8. Auch wegen der prozesstaktischen Hinweise und Überlegungen des Verteidigers kann auf die Ausführungen zu § 251 Abs. 1 verwiesen werden.
 

Rdn 3559

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → Urkundenbeweis, Allgemeines, Teil U Rdn 3162, bei Verlesung von Protokollen, Allgemeines, Teil V Rdn 3488, m.w.N., bei → Verlesung von Protokollen, Geständnisprotokolle, Teil V Rdn 3494, bei → Verlesung von Protokollen, Verlesung nach Zeugnisverweigerung, Teil V Rdn 3573, bei → Verlesung von Protokollen, Verlesung zur Gedächtnisstützung, Teil V Rdn 3594.

 

Rdn 3560

1. Die Verlesung von richterlichen (Vernehmungs)Protokollen ist nach § 251 Abs. 2 unter bestimmten Voraussetzungen als eine Durchbrechung des → Unmittelbarkeitsgrundsatzes, Teil U Rdn 3116 erlaubt. Die Verlesung nichtrichterlicher Protokolle richtet sich nach § 251 Abs 1 (→ Verlesung von Protokollen, Protokolle und Urkunden aller Art, Teil V Rdn 3527). Die Verlesung richterlicher Protokolle ist in drei enumerativ aufgezählten Fällen zulässig (Teil V Rdn 3565 ff.).

 

Rdn 3561

2. Entscheidend für die Zulässigkeit der Verlesung eines früheren Vernehmungsprotokolls gem. § 251 Abs. 2 ist – ebenso wie bei § 251 Abs. 1 – nicht die Stellung, die die Auskunftsperson (Zeuge, SV oder Mitangeklagter) im Zeitpunkt der Aufnahme der (zu verlesenden) Vernehmung hatte, sondern die Rolle, die sie bei einer Vernehmung im gegenwärtigen Verfahren einnehmen würde. Die Ausführungen bei → Verlesung von Protokollen, Protokolle und Urkunden aller Art, Teil V Rdn 3527, gelten daher entsprechend.

 

Rdn 3562

3. a) I.d.R. handelt es sich, wenn es um die Verlesung von richterlichen (Vernehmungs)Protokollen geht, um richterliche Protokolle aus dem EV (§§ 162, 168c, 169), um Protokolle aus einer früheren HV, auch wenn diese nur nach § 273 Abs. 2 protokolliert worden sind (BGHSt 24, 183; → Protokoll der Hauptverhandlung, Allgemeines, Teil P Rdn 2522), oder um Vernehmungen aus anderen (Straf-)Verfahren (BGHSt 10, 186 m.w.N.).

 

Rdn 3563

b)aa) Die Protokolle müssen ordnungsgemäß, unter Beachtung der für das jeweilige Verfahren geltenden Förmlichkeiten und der sonstigen Formvorschriften (vgl. die Bsp. bei Meyer-Goßner/Schmitt, § 251 Rn 31; Park StV 2000, 219 und bei → Verlesung von Protokollen, Geständnisprotokolle, Teil V Rdn 3494 ff.) zustande gekommen sein (zur Verlesung fehlerhaft zustande gekommener richterlicher Protokolle gem. § 251 Abs. 1 Verlesung von Protokollen, Protokolle und Urkunden aller Art, Teil V Rdn 3527). Dazu gehört insbesondere, dass die in §§ 168c, 224 Abs. 1 vorgesehenen Terminsbenachrichtigungen rechtzeitig erfolgt sind (st.Rspr.; vgl. u.a. BGHSt 9, 24; 31, 140 m.w.N.; zu einem Verwertungsverbot bei fehlerhaft unterbliebener Verteidigerbenachrichtigung BGH NJW 1999, 3133 [Ls.; fehlerhafte Annahme der Gefährdung des Untersuchungserfolgs i.S.v. § 168c Abs. 5]; NJW 2003, 3142; KK-Diemer, § 251 Rn 19 m.w.N.; zum verneinten BVV wegen Verstoßes gegen die Benachrichtigungspflicht des Verteidigers eines Mitbeschuldigten für die anderen Beschuldigten des Verfahrens BGHSt 53, 191 mit krit. Anm. Fezer NStZ 2009, 524; zu den Teilhaberechten der Verteidigung an Ermittlungshandlungen Burhoff, EV, Rn 641 ff., 4802 ff.; zu Vernehmungen im Ausland Meyer-Goßner/Schmitt, § 251 Rn 34 ff. m.w.N.).

 

Rdn 3564

bb) Für (richterliche) Vernehmungsprotokolle über Vernehmungen, bei denen § 69 nicht beachtet worden ist, wenn also der Zeuge sich sogleich auf eine frühere Vernehmung berufen hat, ohne sich erst im Zusammenhang zum Vernehmungsgegenstand zu äußern, gilt: § 69 ist zwingendes Recht (BGH NJW 1953, 35, 231; StV 1981, 269). Das bedeutet, dass das Proto...

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