Rdn 3762

 

Literaturhinweise:

Burkhard, Durchsicht und Beschlagnahme von Handakten, PStR 2001, 158

Hillenbrand, Die Durchsuchung des Verteidigers gem. § 176 GVG, StRR 2013, 244

Krekeler, Durchsuchung des Verteidigers beim Betreten des Gerichtsgebäudes, NJW 1979, 185

Zuck, Anwaltsberuf und Bundesverfassungsgericht, NJW 1979, 1121

s.a. die Hinw. bei → Verteidiger, Beschlagnahme von Verteidigerakten, Teil V Rdn 3749.

 

Rdn 3763

1. Während in den 70er Jahren die Frage, ob die körperliche Untersuchung des Verteidigers auf Waffen und gefährliche Werkzeuge vor dem Betreten des Sitzungssaales, in dem die HV stattfinden soll, aufgrund einer sitzungspolizeilichen Maßnahme des Vorsitzenden des Gerichts zulässig ist, heftig diskutiert worden ist (Stichwort "Hosenladenerlass"; vgl. z.B. Krekeler NJW 1979, 185 ff.; Zuck NJW 1979, 1125), ist diese Frage dann in den folgenden Jahren kaum noch von praktischer Bedeutung gewesen. Sie kann aber, wie die Entscheidungen des BVerfG v. 29.9.1997 (NJW 1998, 296), die in einem wegen Verstoßes gegen das BtM-Gesetz geführten Verfahren erging, bzw. die vom 5.1.2006 (BVerfG NJW 2006, 1500) zeigen, immer wieder Bedeutung erlangen (vgl. auch noch OLG Hamm, Beschl. v. 24.11.2011 – III-3 Ws 370/11). Das beweisen z.B. auch die Vorgänge im Münchner NSU-Verfahren, in dem das OLG München u.a. die Durchsuchung der Verteidiger vor Betreten des HV-Saals angeordnet hatte (dazu Hillenbrand StRR 2013, 244, 246 f.).

 

Rdn 3764

2.a) Die Frage nach der Zulässigkeit der Durchsuchung des Verteidigers hat das BVerfG in der Vergangenheit dahin gehend entschieden, dass die Durchsuchung zulässig ist, wenn der angeordnete Eingriff nicht außer Verhältnis zu dem gegebenen Anlass steht und der Verteidiger nicht unzumutbar belastet wird (BVerfG NJW 1978, 1048; eingehend Hillenbrand StRR 2013, 244 ff.). Grds. kann daher auch ein Verteidiger vor Betreten des Gerichtssaales kontrolliert und daraufhin durchsucht werden, ob er Waffen oder andere zur Störung geeignete Dinge bei sich führt (BVerfG, a.a.O.; BGH NJW 1979, 770; 2006, 1500; Kissel/Mayer, § 176 GVG Rn 18; Meyer-Goßner/Schmitt, § 176 GVG Rn 5; allgemein zur Durchsuchung Burhoff, EV, Rn 1741 ff.). Dabei dürfen auch Taschen durchgesehen werden und die Durchsuchung kann sich ebenfalls auf die Schuhe erstrecken (BVerfG, a.a.O.; zur Ungleichbehandlung von Verteidigern und anderen Verfahrensbeteiligten, wie z.B. Vertreter der StA, Justizbedienstete und Polizeibeamte, Hillenbrand StRR 2013, 244, 248).

 

☆ Das Durchblättern mitgebrachter Akten ist zulässig, nicht jedoch die Kenntnisnahme vom Inhalt ( Burkhard PStR 2001, 158).Durchblättern mitgebrachter Akten ist zulässig, nicht jedoch die Kenntnisnahme vom Inhalt (Burkhard PStR 2001, 158).

 

Rdn 3765

b) Das BVerfG hat allerdings in seinem o.a. Beschl. v. 29.9.1997 (NJW 1998, 296) – insoweit abweichend von seiner bis dahin gültigen Rspr. – darauf hingewiesen, dass es vor dem Hintergrund des Art. 12 Abs. 1 GG zweifelhaft sein könne, wenn eine sitzungspolizeiliche Anordnung des Vorsitzenden, nach der der Verteidiger vor dem Betreten des Gerichtssaales zu durchsuchen ist, sich nur darauf stützt, dass sich andere Verteidiger in ähnlichen Verfahren unkorrekt verhalten hätten.

 

Rdn 3766

Zudem ist es nach Auffassung des BVerfG erforderlich, dass sich eine sitzungspolizeiliche Anordnung, wenn sie im Hinblick auf Art. 12 GG Bestand haben soll, auf konkrete Anhaltspunkte stützen muss, um ein Misstrauen gegenüber dem Verteidiger begründen zu können (insoweit krit. zur konkreten Entscheidung Hübel StV 1998, 243 in der Anm. zu BVerfG NJW 1998, 296; so a. BVerfG NJW 2006, 1500 [nicht zu beanstandende Annahme des Vorsitzenden, auf den Verteidiger könne Druck ausgeübt werden, bei einer Befreiung des Mandanten mitzuwirken]; zu allem Hillebrand StRR 2013, 244, 245 f.). Damit hat sich das BVerfG ein Stück von seiner älteren Rspr. entfernt, nach der es allgemein als zulässig angesehen wurde, wenn Verteidiger durchsucht werden. Dass durch die entsprechenden Anordnungen des Vorsitzenden auch Verteidiger betroffen wurden, die keinen Anlass für die Annahme gegeben hatten, sie würden die Ordnung in der Sitzung stören, war früher unerheblich und musste nach der älteren Rspr. im Interesse der Sicherheit in Kauf genommen werden (BVerfG NJW 1977, 2157). Das OLG München (vgl. Hillenbrand StRR 2013, 244 ff.) hat die Anordnung u.a. auch auf Schutzerwägungen zugunsten der Verteidiger gestützt (krit. insoweit Hillenbrand, a.a.O.).

 

☆ Die angeordnete Kontrollmaßnahme muss zudem, so auch schon die frühere Rspr., hinreichend präzisiert und in ihrer Intensität sachgerecht abgestuft sein (vgl. das Beispiel bei BVerfG NJW 1978, 1048 [zunächst Abtasten der Kleidung, auch mithilfe eines Metalldetektors, darüber hinausgehende Durchsuchungsmaßnahmen nur, wenn das Suchgerät anspricht und auch nur derjenigen Kleidungsstücke, von denen die Reaktion ausgeht]; NJW 2006, 1500; dazu Hillenbrand StRR 2013, 244, 249 f.).Kontrollmaßnahme muss zudem, so auch schon die frühere Rspr., hinreiche...

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