Das Wichtigste in Kürze:

1. Der Vorhalt ist kein Urkundenbeweis, auch wenn die Urkunde dabei ganz oder z.T. verlesen wird.
2. Unterliegt die Urkunde einem Verwertungsverbot, ist auch der Vorhalt grds. ausgeschlossen. Auch sprachlich schwierige oder inhaltlich schwer verständliche Urkunden können nicht Gegenstand eines Vorhalts sein.
3. Nach h.M. in der Rspr. können dem Angeklagten, Zeugen und SV bei ihrer Vernehmung in der HV Protokolle von früheren Vernehmungen (zur Gedächtnisstützung) vorgehalten und diese ggf. zu diesem Zweck verlesen werden.
4. Der Vorhalt aus bzw. von einer Urkunde ist ein Vernehmungsbehelf. Grundlage der Feststellungen bleiben die Erklärungen des Zeugen.
 

Rdn 4001

 

Literaturhinweise:

Geerds, Über Vorhalt und Urkundenbeweis mit Vernehmungsprotokollen, in: Festschrift für Günter Blau, 1985, S. 67

Hanack, Protokollverlesungen und -vorhalte als Vernehmungsbehelf, in: Festschrift für Erich Schmidt-Leichner, 1977, S. 83

Kirchmann/Petzold, Der Umgang mit dem Vorhalt – oder: Strafverteidigung bei Vorhalten, StRR 2013, 444

Kuckuck, Zur Zulässigkeit von Vorhalten aus Schriftstücken in der Hauptverhandlung des Strafverfahrens, 1977

­Mosbacher, Zur Zulässigkeit vernehmungsergänzender Verlesung, NStZ 2014, 1

Riegner, Verhörsbeamte als Zeugen in der Hauptverhandlung, NJW 1961, 63

Schünemann, "Dienstliche Äußerungen" von Polizeibeamten im Strafverfahren, DRiZ 1979, 101

s.a. die Hinw. bei → Vorhalt an Zeugen, Teil V Rdn 3992.

 

Rdn 4002

1. Werden einem Zeugen/SV bei seiner Vernehmung Urkunden oder andere Schriftstücke oder elektronische Dokumente (s. § 249 Abs. 1 S. 2) ganz oder teilweise vorgehalten, muss der Verteidiger darauf achten, dass durch diesen Vernehmungsbehelf, der an sich ein unentbehrliches Mittel der Wahrheitserforschung ist, nicht der Unterschied zum Urkundenbeweis verwischt wird (BGHSt 34, 231; Kirchmann/Petzold StRR 2013, 444). Der Vorhalt ist nämlich kein Urkundenbeweis, auch wenn die Urkunde dabei ganz oder z.T. verlesen wird (KK-Diemer, § 249 Rn 42 m.w.N.; BGH NStZ 2000, 427). Grundlage der tatsächlichen Feststellungen sind – auch nach Vorhalt einer Urkunde – nicht die Urkunde, sondern allein die durch deren Vorhalt veranlassten Erklärungen des Zeugen, der den Inhalt bzw. den Wortlaut der Urkunde aus eigener Erinnerung bestätigen muss (st.Rspr.; vgl. zuletzt u.a. BGH NJW 2011, 3733; StV 1994, 413; OLG Jena NZV 2006, 493; OLG Karlsruhe StV 2007, 630; OLG Köln StV 1998, 478; OLG Oldenburg StV 2012, 330 [Ls.]; Beschl. v. 6.7.2020 – 1 Ss 90/20, StraFo 2020, 374; KK-Diemer, a.a.O. m.w.N.; s.a. Teil V Rdn 4008 ff.).

 

☆ Daher muss eine (längere und/oder sprachlich komplexe) Urkunde verlesen werden, wenn es auf ihren Wortlaut ankommt (→  Urkundenbeweis, Allgemeines , Teil U Rdn  3162 m.w.N.; BGH NJW 2006, 1529, 1531; 2011, 3733; NStZ 2000, 427; 2016, 430 [zugleich auch zum Beruhen]; StV 2000, 655; OLG Köln StraFo 1999, 92).Urkunde verlesen werden, wenn es auf ihren Wortlaut ankommt (→ Urkundenbeweis, Allgemeines, Teil U Rdn 3162 m.w.N.; BGH NJW 2006, 1529, 1531; 2011, 3733; NStZ 2000, 427; 2016, 430 [zugleich auch zum Beruhen]; StV 2000, 655; OLG Köln StraFo 1999, 92).

 

Rdn 4003

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, die für den → Vorhalt aus und von Tonbandaufnahmen, Teil V Rdn 3996, bzw. von Bild-Ton-Aufzeichnungen entsprechend gelten, gilt:

 

Rdn 4004

a) Unterliegt die Urkunde/das elektronische Dokument einem Verwertungsverbot, ist auch der Vorhalt grds. ausgeschlossen (zum unzulässigen Vorhalt von Zufallserkenntnissen aus einer Telefonüberwachung OLG Karlsruhe NJW 2004, 2687). Allerdings schließt die nach den §§ 251, 254 unzulässige Verlesung nicht von vornherein einen Vorhalt aus (BGHSt 34, 231, 235; a.A. BGHSt 31, 140 [für unter Verstoß gegen § 168c Abs. 5 zustande gekommene Zeugenaussage]). Einem in der HV erschienenen Zeugen, der nach Belehrung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht (→ Zeuge, Zeugnisverweigerungsrecht, Teil Z Rdn 4242) verzichtet hat, kann i.Ü. auch aus einer unter Verstoß gegen § 52 Abs. 3 S. 1 (→ Zeugen, ­Belehrung, Teil Z Rdn 4080) erlangten Aussage vorgehalten werden (LR-Ignor/Bertheau, § 52 Rn 53).

 

☆ Im Hinblick auf die von der Rspr. des BGH vertretene Widerspruchslösung (vgl. u.a. BGHSt 38, 214, 224) muss der Verteidiger dem Vorhalt eines unverwertbaren Beweismittels widersprechen (→  Widerspruchslösung , Teil W Rdn  4012  ff.)."Widerspruchslösung" (vgl. u.a. BGHSt 38, 214, 224) muss der Verteidiger dem Vorhalt eines unverwertbaren Beweismittels widersprechen (→ Widerspruchslösung, Teil W Rdn 4012 ff.).

 

Rdn 4005

b) Sprachlich schwierige oder inhaltlich schwer verständliche Urkunden können nicht Gegenstand eines Vorhalts sein, sie müssen verlesen werden (BGH NJW 2006, 1529, 1531; NStZ 2016, 430 StV 2000, 655; StraFo 2006, 291; Meyer-Goßner/Schmitt, § 249 Rn 28; a.A. KK-Diemer, § 249 Rn 42). Das gilt auch für Gutachten über die BAK und vergleichbare Urkunden, zu denen der Angeklagte auf Vorhalt keine Angaben machen kann (OLG Celle StV 1984, 107; OLG Düsseldorf NJW 1988, 217...

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