Leitsatz
Kernproblem des Falles war die Befugnis des früheren Freundes der Kindesmutter, die nach § 1592 Nr. 1 BGB bestehende rechtliche Vaterschaft ihres Ehemannes anzufechten. Der Kläger hatte mit der Ehefrau des Beklagten zu 1) innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit geschlechtlich verkehrt. Die Beziehung endete Anfang Juni 2002. Etwa zeitgleich nahmen der Beklagte zu 1) und seine Ehefrau ihr eheliches Zusammenleben wieder auf. Zuvor hatten sie nach Darstellung des Klägers von Anfang April bis Mitte Juni 2002 getrennt gelebt. Die Ehefrau gebar am 3.1.2003 eine Tochter. Der Kläger hatte seine Vaterschaft gegenüber dem Jugendamt bereits am 4.9.2002 anerkannt. Diese Vaterschaftsanerkennung erlangte im Hinblick auf § 1594 Abs. 2 BGB jedoch keine Wirksamkeit.
Sachverhalt
Der Kläger hatte mit der Ehefrau des Beklagten zu 1), die am 3.1.2003 eine Tochter zur Welt brachte, innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit geschlechtlich verkehrt und vor dem Jugendamt am 4.9.2002 anerkannt, Vater des damals noch ungeborenen Kindes zu sein.
Nach seiner Darstellung hatte er die Ehefrau des Beklagten zu 1) Anfang Februar 2002, nach Darstellung der Beklagten zu 1) Anfang April 2002 kennen gelernt. Die Beziehung endete nach übereinstimmender Darstellung der Parteien Anfang Juni 2002. Etwa zeitgleich nahmen der Beklagte zu 1) und seine Ehefrau ihr eheliches Zusammenleben wieder auf. Zuvor hatten sie nach Darstellung des Klägers von Anfang April bis Mitte Juni 2002 getrennt gelebt.
Das erstinstanzliche Gericht wies die vom Kläger gegen den Beklagten zu 1) erhobene Klage auf Feststellung, dass dieser nicht Vater des Kindes sei, unter Hinweis auf § 1600 BGB in der derzeit geltenden Fassung mangels Anfechtungsbefugnis als unzulässig ab.
Auf die Berufung des Klägers setzte das Berufungsgericht das Verfahren aus, weil das BVerfG diese Vorschrift einen Tag vor Verkündung des angefochtenen Urteils für teilweise verfassungswidrig erklärt und angeordnet hatte, dass bis zur gesetzlichen Neuregelung anhängige Verfahren deren Entscheidung hiervon abhänge, auszusetzen seien.
Nach der ab 30.4.2004 geltenden Fassung des § 1600 BGB und der Wiederaufnahme des Verfahrens versicherte der Kläger an Eides statt, der Mutter innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt zu haben und erweiterte seine Klage gegen die Beklagte zu 2). Hilfsweise beantragte er festzustellen, dass die Beklagte zu 2) von ihm abstamme.
Seine Berufung wurde zurückgewiesen. Auch die zugelassene Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BGH stützte seine Entscheidung auf § 1600 BGB in der ab 30.4.2004 geltenden Fassung.
Die Anfechtung der "rechtlichen Vaterschaft" durch den "biologischen Vater" sei nach dessen Abs. 2 ausgeschlossen, wenn zwischen dem Kind und dem als Vater geltenden Mann eine sozial-familiäre Beziehung bestehe.
Die von dem Kläger erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese gesetzliche Regelung teilte der BGH nicht. Zwar seien die im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geschützten gegenläufigen und gegeneinander abzuwägenden Interessen des Kindes und des Anfechtenden einander gleichwertig. Das im Regelfall zu vermutende Interesse des Kindes am Erhalt seines Status und der Abwehr von Störungen seiner sozial-familiären Beziehung stehe aber unter dem zusätzlichen Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG.
Die Bereitschaft des mutmaßlichen leiblichen Vaters, Verantwortung tragen zu wollen sowie sein Wunsch, eine sozial-familiäre Beziehung zwischen sich und dem Kind erst entstehen zu lassen, verdienten diesen Schutz hingegen nicht oder jedenfalls nicht in gleichem Maße.
Träger des Elternrechts nach Art. 6 Abs. 2 GG könne nur derjenige sein, der die Elternverantwortung bereits wahrnehme, unabhängig davon, worauf sich diese Elternverantwortung gründe.
Trage der rechtliche Vater diese Verantwortung, verliere er sein Elternrecht nicht allein dadurch, dass sich ein anderer Mann als leiblicher Vater herausstelle.
Auch der Hilfsantrag des Klägers hatte keinen Erfolg. Die isolierte Abstammungsfeststellungsklage betrachtete der BGH als unzulässig, soweit mir ihr keine statusrechtliche Folge begehrt werde.
Allein der Wunsch, Kenntnis und Gewissheit über die Abstammung eines Kindes zu erlangen und diese feststellen zu lassen, sei jedenfalls nicht durch Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG gestützt.
Hinweis
In seinem Urteil äußert sich der BGH erstmalig zu dem in der Grundsatzentscheidung des BVerfG (BVerfG v. 9.4.2003 - 1 BvR 1493/96 = FamRZ 2003, 816) erörterten Problem konkurrierender Grundrechte von "rechtlichem" und "biologischem" Vater. Die aufgrund dieser Entscheidung notwendig gewordene Neufassung des § 1600 BGB wird vom BGH in einer dem Interesse des Kindes an Sicherheit und seelischem Gleichgewicht orientierten Weise ausgelegt.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 06.12.2006, XII ZR 164/04