Leitsatz

Die am 28.7.1995 geborene Klägerin focht die Vaterschaft des Beklagten an, mit dem die Mutter der Klägerin zum Zeitpunkt von deren Geburt verheiratet war. Die Ehe wurde durch am selben Tage rechtskräftig gewordenes Urteil vom 9.12.1999 geschieden. Das Sorgerecht für die Klägerin hatten auch weiterhin die Kindesmutter und der Beklagte gemeinsam. Ein von dem Beklagten in Auftrag gegebenes Gutachten eines Sachverständigen vom 8.2.2000 kam zu dem Ergebnis, dass er als Vater der Klägerin nicht in Frage kommt. Eine von dem Beklagten im Jahre 1999 erhobene Vaterschaftsanfechtungsklage wurde wegen Versäumung der Anfechtungsfrist nach § 1600b Abs. 1 BGB abgewiesen, ein hiergegen eingelegtes Rechtsmittel blieb erfolglos.

In dem von der Klägerin eingeleiteten Vaterschaftsanfechtungsverfahren wurde für sie auf Antrag des Beklagten eine Ergänzungspflegschaft mit dem Aufgabenkreis "Vertretung des minderjährigen Kindes in einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren" eingerichtet. Zunächst wurde das Jugendamt zum Pfleger bestellt, das die Erhebung der Anfechtungsklage mit der Begründung ablehnte, eine Vaterschaftsanfechtung diene nicht dem Kindeswohl. Der Rechtspfleger teilte daraufhin dem Beklagten mit, er teile die Auffassung des Jugendamtes nicht und beabsichtige, den Antrag des Jugendamtes auf Aufhebung der Ergänzungspflegschaft zurückzuweisen. Im Hinblick auf eine zu erwartende Beschwerde des Jugendamtes werde anheim gestellt, eine als Ergänzungspfleger geeignete Person anzugeben, das Jugendamt könne dann als Ergänzungspfleger entlassen werden. Der Beklagte benannte daraufhin einen Rechtsanwalt, der sodann durch Beschluss vom 29.8.2006 anstelle des Jugendamtes zum Pfleger bestellt wurde und als Vertreter der Klägerin die Klageschrift einreichte mit den Antrag festzustellen, dass die Klägerin nicht das Kind des Beklagten sei. Der Beklagte erklärte, er erkenne die Klage an.

Vom AG wurde zunächst eine Verfahrenspflegerin bestellt, die nach persönlicher Anhörung der Klägerin die Ansicht vertrat, die Anfechtung entspreche nicht dem Kindeswohl. Die Kindesmutter ist der Klägerin beigetreten und hat den Antrag angekündigt, die Klage als unzulässig, "hilfsweise insgesamt zurückzuweisen" und sich in der mündlichen Verhandlung des AG den Ausführungen der Verfahrenspflegerin angeschlossen, von der beantragt worden war, die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen.

Das AG hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, die Anfechtung diene dem Wohl des Kindes, da der Klägerin durch die Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft des Beklagten die Möglichkeit gegeben werde, sich mit ihrer Abstammung auseinanderzusetzen. Aufgrund des vorgelegten Gutachtens stehe fest, dass die Klägerin nicht vom Beklagten abstamme.

Gegen das Urteil des AG haben die Prozessbevollmächtigten der Kindesmutter fristgerecht im Namen der Klägerin, der Kindesmutter und der Verfahrenspflegerin Berufung eingelegt. Das OLG hat die Verfahrenspflegschaft aufgehoben. Die Rechtsmittel der Klägerin und der Verfahrenspflegerin wurden von der Prozessbevollmächtigten der Mutter zurückgenommen. Diese machte weiterhin geltend, die Anfechtung diene nicht dem Wohl der Klägerin und beantragte abändernd, die Klage abzuweisen. Die Klägerin und der Beklagte hielten die Berufung, deren Zurückweisung sie beantragten, mangels Beschwer der Klägerin für unzulässig und verteidigten im Übrigen das angefochtene Urteil.

 

Sachverhalt

Siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG hielt die Berufung für zulässig und begründet.

Die Kindesmutter könne im eigenen Namen Rechtsmittel einlegen, da sie dem Rechtsstreit beigetreten und damit streitgenössische Nebenintervenientin geworden sei (vgl. BGHZ 89, 121 = FamRZ 1984, 164).

Sie könne auch mit dem Ziel der Klageabweisung Berufung einlegen, obwohl die von ihr unterstützte Partei - die Klägerin - die Feststellung begehre, dass sie nicht vom Beklagten abstamme.

Es sei streitig, ob eine formelle Beschwer als Zulässigkeitsvoraussetzung des Rechtsmittels im Kindschaftsprozess erforderlich sei. Das OLG schloss sich insoweit der verneinenden Auffassung an, die sich aus einem "erst recht" Schluss aus § 641i Abs. 2 ZPO ergebe. Wenn ein Wiederaufnahmeverfahren im Kindschaftsprozess auch von der Partei erhoben werden könne, die in dem früheren Verfahren obsiegt habe, müsse erst recht die Einlegung eines Rechtsmittels in einem solchen Verfahren zulässig sein, obgleich in erster Instanz gesiegt wurde. Hierfür spreche auch die Parallele zum Scheidungsurteil, wo das Gleiche gelte, wenn das Rechtsmittel zur Aufrechterhaltung der Ehe eingelegt werde.

Das Kindschaftsverfahren habe Übereinstimmung mit dem Verfahren in Ehesachen und schränke in § 640d ZPO den Untersuchungsgrundsatz zugunsten der Aufrechterhaltung der Vaterschaft ein. Auch dies spreche dafür, auf eine formelle Beschwer bei der Berufung in Kindschaftssachen generell zu verzichten, wenn wie hier der Fortbestand der Vaterschaft bezweckt werde.

Die Begründetheit der Berufung ergab sich nach A...

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