Leitsatz
Die Erklärung des Insolvenzverwalters/Treuhänders, für Ansprüche aus dem Wohnraummietverhältnis nach Ablauf der dreimonatigen gesetzlichen Kündigungsfrist nicht mehr mit der Insolvenzmasse aufzukommen, wirkt auch gegenüber dem Erwerber, auf den das Mietverhältnis infolge Veräußerung des Grundstücks übergegangen ist, wenn sie in Unkenntnis des Eigentumsübergangs dem alten Vermieter gegenüber abgegeben worden ist.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
InsO § 109 Abs. 1 Satz 2; BGB §§ 407 Abs. 1, 412
Kommentar
Zwischen dem Eigentümer und dem Mieter bestand seit dem Jahr 2005 ein Mietverhältnis über eine in Berlin gelegene Wohnung. Im Jahr 2006 verkaufte der Eigentümer das Wohngebäude an einen Erwerber; dieser wurde am 15.10.2008 als neuer Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Über das Vermögen des Mieters war bereits am 1.10.2008 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. In Unkenntnis des Eigentumsübergangs teilte der Treuhänder am 18.10.2008 dem früheren Eigentümer mit, dass die Ansprüche auf die Miete nicht gegen die Masse geltend gemacht werden können. Der neue Eigentümer erfuhr hiervon nichts. Er hat den Treuhänder auf Bezahlung der Miete für die Zeit von Januar bis Oktober 2009 in Anspruch genommen.
Der BGH hat die Klage überwiegend abgewiesen.
1 Enthaftungserklärung an Vermieter
Wird über das Vermögen eines Wohnungsmieters das Insolvenzverfahren eröffnet, ist die Miete nach der Verfahrenseröffnung aus der Insolvenzmasse zu bezahlen. Die Zahlungspflicht des Treuhänders endet allerdings, wenn dieser erklärt, dass Ansprüche, die nach Ablauf der Kündigungsfrist fällig werden, nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können (§ 109 Abs. 1 Satz 2 InsO). Die Enthaftungserklärung ist gegenüber dem Vermieter abzugeben. Am 18.10.2008 war der Erwerber bereits im Grundbuch eingetragen; deshalb war er Partei des Mietverhältnisses. Die Erklärung des Treuhänders ist jedoch dem früheren Eigentümer zugegangen.
2 Enthaftungserklärung wirkt gegen Rechtsnachfolger
Deshalb stellt sich die Frage, ob die dem Rechtsvorgänger des Vermieters zugegangene Erklärung gegen den Rechtsnachfolger wirkt. Nach Ansicht des BGH ist dies in entsprechender Anwendung der §§ 412, 407 Abs. 1 BGB zu bejahen. Daraus folgt: Die Erklärung des Treuhänders ist dem früheren Eigentümer am 18.10.2008 zugegangen, weil der Treuhänder von dem Eigentumsübergang keine Kenntnis hatte. Die Kündigungsfrist betrug 3 Monate, gerechnet ab November 2008 (§ 573c Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Ansprüche des Vermieters gegen die Insolvenzmasse sind damit mit Ablauf des Monats Januar 2009 erloschen.
Information über Enthaftungserklärung
Der BGH hat sich nicht mit der Frage befasst, ob der Veräußerer verpflichtet ist, den Erwerber über die Existenz einer Enthaftungserklärung zu informieren. Nach der hier vertretenen Auffassung ist dies zu bejahen, weil sich aus dem Kaufvertrag entsprechende nachträgliche Informationspflichten ergeben. Werden diese verletzt, kann der Erwerber den Veräußerer auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 23.2.2012, IX ZR 29/11, NJW 2012 S. 1881