Problemüberblick
Nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 1 WEG a. F. waren die Wohnungseigentümer u. a. dann berechtigt, von einem Wohnungseigentümer die Veräußerung seines Wohnungseigentums zu verlangen, wenn er sich mit der Erfüllung seiner Verpflichtungen zur Lasten- und Kostentragung (§ 16 Abs. 2 WEG a. F.) in Höhe eines Betrags, der 3 % des Einheitswerts seines Wohnungseigentums übersteigt, länger als 3 Monate in Verzug befindet.
Dieses Regelbeispiel ist ersatzlos entfallen. In den Materialien zum WEMoG heißt es dazu, § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG ermögliche es der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, sich bei einem Hausgeldausfall vorrangig aus dem Wohnungseigentum zu befriedigen. Angesichts dessen bestehe für einen gesetzlich besonders geregelten Entziehungsgrund kein Bedürfnis mehr (BR-Drs. 168/20, S. 61). Fraglich ist daher, was seit dem 1.12.2020 bei einem Zahlungsrückstand gilt.
Höhe des Zahlungsrückstands
Das LG meint, ein bloßer Zahlungsrückstand genüge nicht (mehr), um die Voraussetzungen des § 17 WEG zu erfüllen. Es reichten aber fortlaufende, nicht nur geringfügige Rückstände.
Ob diese Haltung überzeugt, bleibt abzuwarten. Denn die Streichung von § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG a. F. sollte nicht bedeuten, dass eine Entziehung des Wohnungseigentums wegen Verzugs mit Hausgeldrückständen in Zukunft ausscheiden soll (siehe nur Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, 2020, Rn. 1550). Das Gegenteil sei richtig: Es handele sich bei der Pflicht, die Vor- und Nachschüsse zu bezahlen um die Kardinalpflicht jedes Wohnungseigentümers, deren Verletzung nach § 17 Abs. 2, § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG den Ausschluss aus der Gemeinschaft rechtfertigen könne. Die Würdigung der Schwere dieser Pflichtverletzung sei nach neuem Recht also möglichweise nur von den Vorgaben des § 18 Abs. 2 Nr. 2 a. F. befreit. An ihre Stelle seien die Merkmale des wiederholten, gröblichen Verstoßes gegen die Zahlungspflichten trotz Abmahnung getreten (Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, 2020, Rn. 1550; s. auch Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl. 2021, § 17 Rn. 17).
Gleicht der Hausgeldschuldner seine Schulden bis zum Ende der mündlichen Tatsachenverhandlung über den Entziehungsanspruch aus, sollte dies im Übrigen bei der Gesamtwürdigung zugunsten des Störers berücksichtigt werden (Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, 2020, Rn. 1552). Die Tilgung des Rückstands führt aber – anders als bisher – nicht stets zur Unbegründetheit der Entziehungsklage.
Entziehungsbeschluss
Die Kammer spricht kurz den Streit an, ob die Wohnungseigentümer über eine Entziehung beschließen müssen. Der Wortlaut des § 17 Abs. 1 WEG ist insoweit nicht eindeutig. Wenn man die Materialien betrachtet, kann es allerdings keinem Zweifel unterliegen, dass der Gesetzgeber an dem Erfordernis eines Entziehungsbeschlusses festhalten wollte. Der Praxis ist daher zu raten, über die Entziehung zu beschließen. Der Beschluss bedarf – wie alle Beschlüsse im aktuellen Recht – nur der Mehrheit der Ja-Stimmen. Ein besonderes Quorum ist nicht erforderlich.
Abmahnung
Im neuen Recht ist ferner streitig geworden, ob ein Wohnungseigentümer in der Lage ist, seinen Miteigentümer abzumahnen. Bislang war das unproblematisch. Im neuen Recht ist aber nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer befugt, eine Entziehung zu verlangen. Dies könnte dafür sprechen, dass nur die Gemeinschaft in der Lage ist, ein Fehlverhalten abzumahnen. Hiervon sollte die Verwaltung jedenfalls ausgehen, bis es eine Klärung durch die Rechtsprechung gibt. Die Verwaltung kann sich also nicht darauf verlassen, dass die Abmahnung durch einen Wohnungseigentümer reicht, sondern muss selbst einem Wohnungseigentümer sein Fehlverhalten vor Augen führen.
Rechtsanwaltskosten für Abmahnung
Im Fall hatte der Verwalter für die Abmahnung des Beklagten einen Rechtsanwalt eingeschaltet. Dessen Kosten klagte die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Nebenkosten ein. Auch hiermit hatte sie Erfolg. Die für die Abmahnung aufgewandten Rechtsanwaltskosten stünden der Gemeinschaft als Schadensersatz (§ 280 BGB) zu. Die Nichtzahlung des Hausgeldes habe eine erhebliche Pflichtverletzung dargestellt, die einen entsprechenden Schadensersatzanspruch begründe.
Ich selbst finde diese Sichtweise überraschend. Denn eigentlich gibt es keinen Grund, einen Rechtsanwalt einzuschalten, da die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durch einen professionellen Verwalter vertreten wird, dem es nicht schwerfallen sollte, eine Abmahnung auszusprechen.