Leitsatz
Wenn sich ein Geschäftsführer einer GmbH, dessen Bestellung und Anstellung aufgrund einer Befristung abläuft, erneut um das Amt bewirbt, finden die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) über den Schutz vor Benachteiligung wegen des Alters Anwendung. Sofern in solchen Fällen der Vorsitzende des Gremiums, das über die Wiederbestellung entscheidet (z. B. der Aufsichtsrat), unwidersprochen in der Öffentlichkeit die Gründe für die Entscheidung benennt und sich daraus Indizien für eine Benachteiligung wegen des Alters ergeben, reicht dies für die gesetzliche Vermutung einer solchen Benachteiligung nach dem AGG.
Sachverhalt
Der Kläger war medizinischer Geschäftsführer eines Krankenhauses in der Rechtsform der GmbH. Die einzige Gesellschafterin war eine Kommune. Die Gesellschaft hatte nach dem Gesellschaftsvertrag einen freiwilligen (sog. fakultativen) Aufsichtsrat. Zu den Aufgaben des Aufsichtsrats gehörten u.a. Abschluss, Änderung und Aufhebung der Anstellungsverträge mit den Geschäftsführern. Dagegen war für die Bestellung und die Abberufung der Geschäftsführer aufgrund einer Empfehlung des Aufsichtsrats die Gesellschafterversammlung zuständig.
Die Laufzeit des Anstellungsvertrags des Geschäftsführers war im vorliegenden Fall entsprechend des Gesellschaftsvertrags auf 5 Jahre befristet.
Der Aufsichtsrat beschloss mehrheitlich, den Anstellungsvertrag des 61-jährigen bisherigen Geschäftsführers nicht zu verlängern und bestellte einen 41-jährigen Mitbewerber des Klägers zum neuen Geschäftsführer.
Der Kläger war der Auffassung, dass die beklagte Krankenhausgesellschaft mit der Ablehnung seiner Weiterbeschäftigung gegen das Verbot der Altersdiskriminierung nach dem AGG verstoßen habe und verlangte Schadensersatzansprüche.
Hinweis für Wohnungsunternehmen:
In der Praxis der Wohnungsgesellschaften erfolgt durchweg nicht nur der Abschluss des Anstellungsvertrags, sondern auch die Bestellung der Geschäftsführer durch den Aufsichtsrat und in der Regel befristet für Dauer von 5 Jahren (so auch die Empfehlung in § 7 Abs. 2 Satz 1 des Muster-Gesellschaftsvertrags für Wohnungsgesellschaften (GmbH) des GdW). Ebenso ist es gängige Praxis im Bereich der Wohnungsgenossenschaften, dass der Aufsichtsrat nicht nur die Anstellungsverträge abschließt, sondern die Vorstandsmitglieder auch – ebenfalls zeitlich befristet – bestellt (s. dazu § 21 Abs. 4 Satz 1 der Mustersatzung für Wohnungsgenossenschaften).
Entscheidung
Das Gericht hat in seiner Urteilsbegründung zunächst ausgeführt, dass auch für Geschäftsführer die Vorschriften des zweiten Abschnitts des AGG Anwendung finden (persönlicher Anwendungsbereich), soweit es u.a. die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit betrifft. § 6 Abs. 3 AGG schreibt nämlich vor, dass diese Vorschriften auch für Selbstständige und Organmitglieder, insbesondere Geschäftsführer oder Vorstände, entsprechend gelten.
Nach Auffassung des Gerichts war zudem auch der sog. sachliche Anwendungsbereich des AGG eröffnet, d.h. hier der Zugang zur Erwerbstätigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG. Dort ist geregelt, dass u.a. Benachteiligungen wegen des Alters nach Maßgabe des AGG unzulässig sind in Bezug auf die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu selbstständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit, und zwar unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, sowie für den beruflichen Aufstieg. Unter das Merkmal des Zugangs zur Erwerbstätigkeit fallen nach der Begründung des Gerichts sowohl die organrechtliche Bestellung zum Geschäftsführer (§§ 6, 35 ff. GmbHG) als auch der schuldrechtliche Abschluss des Anstellungsvertrags für das Organmitglied. Zum Zugang zur Erwerbstätigkeit gehört nach der Urteilsbegründung auch der Fall, dass sich der bisherige Geschäftsführer nach Fristablauf erneut um eine Wiederbestellung bewirbt.
Der bisherige Geschäftsführer war nach Meinung des BGH dadurch altersbedingt benachteiligt worden (§§ 7 Abs. 1; 3 Abs. 1; 1 AGG), dass er nicht zum Organmitglied wiederbestellt und mit ihm kein neuer Anstellungsvertrag abgeschlossen worden ist.
Im vorliegenden Fall kam dem Kläger im Rahmen der angestrebten Bestellung zum Geschäftsführer die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast (§ 22 AGG) zugute. Danach musste die GmbH hier darlegen und beweisen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen (§ 1 AGG) vorgelegen hat, wenn die andere Partei Indizien vorträgt und, soweit erforderlich, beweist, die eine solche Benachteiligung vermuten lassen.
Die dafür vom Kläger vorgelegten Indizien waren für das Gericht ausreichend, um die gesetzliche Vermutung einer Benachteiligung wegen des Alters als erfüllt anzusehen.
In der Sitzung des Aufsichtsrats, die die Beschlussfassung über die Nichtbestellung des bisherigen Geschäftsführers und die Neubestellung des Mitbewerbers herbeigeführt hatte, war allein über das Alter des Klägers und nicht über vermeintliche Leistungsdefizite gesprochen worden. Auß...