OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung v. 19.1.2016, Kurzinfo Sonstige Besitz- und Verkehrsteuern 1/2016
Ruhen des Verfahrens in Fällen, in denen der Erwerber einer Vergütung eine „einem Gesellschafter nahestehende Person ist”
Fragen zur Umsetzung der Regelungen durch die gleichlautenden Ländererlasse vom 14.3.2012 (BStBl 2012 I S. 331)
I. Exkurs
Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 7.11.2007, II R 28/06 (BStBl 2008 II S. 258) deutlich gemacht, dass im Fall der Zahlung einer überhöhten Vergütung einer GmbH an eine dem Gesellschafter nahestehende Person, die als vGA zu beurteilen ist, statt einer Schenkung zwischen den natürlichen Personen allenfalls eine Schenkung der Kapitalgesellschaft an die dem Gesellschafter nahestehende Person vorliegen kann.
Aufgrund dieser Entscheidung war die langjährige Verwaltungspraxis, verdeckte Gewinnausschüttungen als Schenkungen zwischen dem Gesellschafter und der nahestehenden Person zu behandeln, nicht mehr umsetzbar. Mit gleichlautenden Erlassen, zunächst vom 20.10.2010 (BStBl 2010 I S. 1207) und sodann in ergänzter Form vom 14.3.2012 (BStBl 2012 I S. 331) wurde auf der Grundlage der o.a. Rechtsprechung klargestellt, dass nunmehr von einer Schenkung der Kapitalgesellschaft an die dem Gesellschafter nahestehende Person auszugehen ist. Darüber hinaus wurde geregelt, dass in bestimmten Fällen auch Schenkungen einer Kapitalgesellschaft an deren Gesellschafter vorliegen können.
Mit Urteil vom 30.1.2013, II R 6/12 (BStBl 2013 II S. 930) hat der BFH jedoch entschieden, dass es im Verhältnis einer Kapitalgesellschaft zu ihren unmittelbaren oder mittelbaren Gesellschaftern neben betrieblich veranlassten Rechtsbeziehungen lediglich offene und verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Kapitalrückzahlungen gibt, jedoch keine freigebigen Zuwendungen i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
Zu diesem Urteil ist ein Nichtanwendungserlass vom 5.6.2013 (BStBl 2013 I S. 1465) ergangen.
II. Weitere Vorgehensweise
Zur weiteren Behandlung von Fällen, in denen es um die Beurteilung geht, ob eine vGA ebenfalls die Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung erfüllt, wird auf Folgendes hingewiesen:
Zu unterscheiden ist in o.a. Fällen zunächst, ob der Erwerber des zu beurteilenden Vermögensvorteils
- ein Gesellschafter der Kapitalgesellschaft oder
- eine einem Gesellschafter der Kapitalgesellschaft nahestehende Person
ist.
Zu 1: Gesellschafter der Kapitalgesellschaft ist Zuwendungsempfänger
Mit o.a. Urteil vom 30.1.2013, II R 6/12 (BStBl 2013 II S. 930) hat der BFH ausschließlich für die „Gesellschafterfälle” entschieden, dass es im Verhältnis einer Kapitalgesellschaft zu ihren unmittelbaren oder mittelbaren Gesellschaftern neben betrieblich veranlassten Rechtsbeziehungen lediglich offene und verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Kapitalrückzahlungen, jedoch keine freigebigen Zuwendungen i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG geben kann. Aufgrund des Nichtanwendungserlasses vom 5.6.2013 (BStBl 2013 I S. 1465) verbleibt es insoweit grds. bei den im Erlass vom 14.3.2012 (BStBl 2012 I S. 331) getroffenen Aussagen. Die Annahme eines schenkungsteuerbaren Vorgangs hat das FG Niedersachsen mit Urteil vom 12.11.2014, 3 K 347/14 erneut negiert. Die hiergegen vom FA eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde mit Beschluss vom 2.9.2015 als unbegründet zurückgewiesen. Der BFH verweist in seiner Begründung insb. auf seine o.a. Entscheidung vom 30.1.2013, eine Revisionszulassung sei daher zur Fortbildung des Rechts nicht erforderlich.
Folgen: Vor Erlass von Einspruchsentscheidungen in vergleichbaren Gesellschafter-Fällen wird um Abstimmung gebeten. Über bereits anhängige Klageverfahren wird um Unterrichtung gebeten.
Zu 2. Eine dem Gesellschafter der Kapitalgesellschaft nahestehende Person ist Zuwendungsempfänger
Noch keine höchstrichterliche Entscheidung liegt hingegen zu der von der Finanzverwaltung in Tz. 2.6 des o.a. Erlasses vom 14.3.2012 vertretenen Rechtsauffassung vor, in Fällen, in denen Erwerber eines Vermögensvorteils eine sog. „nahestehende Person” ist, eine gemischte freigebige Zuwendung im Verhältnis der Kapitalgesellschaft zur nahestehenden Person anzunehmen (vgl. Mönch/Weinmann Tz. 192 zu § 7 ErbStG; Demuth, in: BeSt 1/2015 S. 5). Zur Klärung dieser Rechtsfrage haben auch die nachfolgenden Entscheidungen nicht beitragen können.
a) II R 43/12: Der BFH hat in dem Verfahren II R 43/12 (BStBl 2015 II S. 241) die Annahme einer Schenkung nicht grds. verneint, sondern unter Hinweis auf einen Mangel bei der Prüfung, ob überhaupt eine Bereicherung vorliegt, an das FG zurückverwiesen.
b) II R 44/13: In dem weiteren Verfahren II R 44/13 (BStBl 2015 II S. 249) hat der BFH in dem Fall einer vGA zwar herausgestellt, dass trotz der Besteuerung der vGA bei dem Vorteilsempfänger eine „eigene” Besteuerung möglich ist. Aufgrund des in diesem Einzelfall bestehenden engen Zusammenhangs mit einem Veräußerungsgeschäft als eine auf Einkünfteerzielung am Markt, also als auf einen Hinzuerwerb von Einkommen gerichtete Erwerbshandlung, war der Vermögensvorteil ...