Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Unwirksame Zuordnung von Fenster-Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum kann in wirksame Instandsetzungskosten-Verantwortung des betreffenden Sondereigentümers umgedeutet werden
Konstruktive Balkon-Baubestandteile (hier: Feuchtigkeitssperrschicht oberhalb der Kragplatte) bleiben grds. in der Instandsetzungsverantwortung der Gemeinschaft
Normenkette
§ 5 Abs. 2, § 16 Abs. 2 WEG, § 133 BGB
Kommentar
1. Hinsichtlich defekter und nicht reparaturfähiger Dachfenster in Dachwohnungen mit verfaulten Laibungen wurden Sanierung und Finanzierung auftrags der Gemeinschaft beschlossen. In der Gemeinschaftsordnung war jedoch vereinbart, dass Fenstergläser und Fensterfassungen zum Sondereigentum gehörten.
Die Zuordnung der Fenstergläser und -fassungen zu Sondereigentum verstößt zwar gegen § 5 Abs. 2 WEG und ist deshalb nichtig. Allerdings hat die Regelung den Sinn, die Kostenlast für die Erneuerung von Fenstergläsern und -fassungen denjenigen Eigentümern aufzubürden, in deren Wohnungen sich die zu erneuernden Fenster befinden. Dies entspricht den in Rechtsprechung und Literatur anerkannten Auslegungsregelungen, wobei auch bei der Auslegung von Gemeinschaftsordnungen gem. § 133 BGB der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften ist; dabei ist auf den Wortlaut und den objektiven Sinn der im Grundbuch eingetragenen Erklärung abzustellen, so wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt. Diese Auslegung ergibt, dass zumindest hinsichtlich der Fenstergläser und -fassungen die Gemeinschaft nicht mit Kosten belastet werden soll.
Bei erneuter Beschlussfassung ist allerdings darauf zu achten, ob die Sanierungsmaßnahmen auch den Austausch der Laibungen und die entsprechenden Kosten hierfür erfassen. Laibungen stehen als Teil der Dachkonstruktion im Gemeinschaftseigentum mit der Folge, dass insoweit die Gemeinschaft auch die Kosten einer Erneuerung tragen muss. Gegenteiliges lässt sich hier aus der Gemeinschaftsordnungs-Vereinbarung nicht entnehmen.
2. Hinsichtlich der Balkonsanierungen war vorliegend in der Gemeinschaftsordnung vereinbart, dass "Einrichtungen, Anlagen und Gebäudeteile, die nach der Beschaffenheit oder dem Zweck des Bauwerkes oder gemäß dieser Teilungserklärung zum ausschließlichen Gebrauch durch einen Wohnungseigentümer bestimmt sind (z.B. Balkone, Terrassen, Veranden), von ihm auf seine Kosten instandzuhalten und instandzusetzen sind".
Nach Sinn und Zweck dieser Vereinbarung kann allerdings die Sanierungsverantwortung eines Sondereigentümers nur für solche Bauteile gelten, die dem ausschließlichen Gebrauch seines Wohnungseigentums dienen. Dies ist bei der unterhalb [m.E. wohl Schreibversehen!] der Kragplatten aufgebrachten Isolierschicht der Balkone jedoch nicht der Fall. Die ordnungsgemäße Isolierung dient gerade nicht nur dem ausschließlichen Gebrauch des Eigentümers, sondern vielmehr der Sicherheit und Standfestigkeit des gesamten Gebäudes, da die Undichtigkeit der Isolierschicht zur Korrosion des Armierungseisens führt; darüber hinaus löst sich die Farbbeschichtung unter den Kragplatten. Ein unbefangener Betrachter würde es nicht als naheliegend ansehen, dass er aufgrund der hier getroffenen Vereinbarung verpflichtet ist, solche Schäden auf seine Kosten instandzusetzen. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt auch von dem durch das OLG Hamm am 13. 8. 1996 entschiedenen Fall (WE 97, 152, 153). Ungeachtet dessen behält die Vereinbarungsregelung im vorliegenden Fall nach wie vor Bedeutung, da Sondereigentümer auch für Instandsetzungsarbeiten an den dem Gemeinschaftseigentum zugehörigen Balkonteilen kostenpflichtig sind (z.B. bei Anstrich eines Balkongeländers).
3. Keine außergerichtliche Kostenerstattung bei Beschwerdegegenstandswert von DM 67.000.
Link zur Entscheidung
( OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.01.1998, 3 Wx 546/97)
zu Gruppe 3: Begründung, Erwerb und Veräußerung; Umwandlung
Anmerkung:
1. Diverse Obergerichte (z.B. das OLG Hamm) haben tatsächlich gerade bei nichtiger Zuordnung von Fenstereigentum zu Sondereigentum solche unwirksamen Vereinbarungen in eine wirksame Kostenverteilungszuordnung zu Lasten des jeweiligen Sondereigentümers umgedeutet (in der Literatur allerdings nicht unbestritten). Ohne jegliche Hinweise in einer Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung selbst betrachte ich nach wie vor ein solches Umdeutungs-Auslegungsergebnis als zu weitgehend, zumal gerade Vereinbarungsregelungen - ausgehend vom Wortlaut - grundsätzlich nach objektiv-normativen Kriterien auszulegen sind. Subjektive Auslegungsgrundsätze sollen gerade ohne entscheidende rechtliche Bedeutung sein, zumal Vorstellungen des Begründers einer Teilungserklärung kaum - vielleicht erst nach Jahren - nachvollzogen werden können. Wer will hier bei nichtiger bzw. durch Rechtsfortbildung erst viele Jahre später festgestellter Nichtigkeit einer Vereinbarungsregelung den wirklichen Willen des Eigentumsbegründers erforschen!
Steht i.Ü. fest, dass...