Leitsatz

  1. Bei vereinbartem Stimmrechts-Kopfprinzip führen Veräußerungen von Wohnungen eines Eigentümers mit mehreren Einheiten zu einer Stimmrechtsmehrung
  2. Nicht stimmberechtigte Eigentümer sind bei der Feststellung der Beschlussfähigkeit nicht mitzuzählen
  3. Stimmrechtsausschlüsse von mehr als der Hälfte der Eigentümer nach Anteilen führen zu keiner Beschlussunfähigkeit der Versammlung
  4. Stimmrechtsmissbrauch bei der Bestellung eines Eigentümers zum Verwalter, der in seiner Eigenschaft als Bauträger-Veräußerer Gewährleistungsansprüchen ausgesetzt ist
  5. Änderung der Besetzung des Beschwerdegericht ist in der Regel unerheblich
 

Normenkette

(§ 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2 WEG , § 23 Abs. 2 WEG , § 25 Abs. 2, 3, 5 WEG, § 26 Abs. 1 WEG und § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG; § 242 BGB)

 

Kommentar

1. Entscheidungen in Wohnungseigentumssachen ergehen anders als im Zivilprozess (§ 309 ZPO) nicht "aufgrund mündlicher Verhandlung"; es ist daher nicht erforderlich, dass die Entscheidung nur von den Richtern getroffen wird, die an der mündlichen Verhandlung teilgenommen haben (vgl. auch BayObLG, ZMR 2001 S. 472). Etwas anderes kann u.U. bei einer Zeugeneinvernahme gelten, wenn es um einen unmittelbaren Eindruck von der Glaubwürdigkeit Beteiligter oder Zeugen gehen sollte. Vorliegend stützt sich die landgerichtliche Entscheidung allerdings nicht auf die in mündlicher Verhandlung gewonnenen Eindrücke über die Glaubwürdigkeit der Beteiligten, sondern auf eine Auswertung der schriftsätzlichen Vorträge und der vorgelegten Urkunden. Insoweit war ein Wechsel in der Besetzung des Beschwerdegerichts unschädlich, da ein Akteninhalt auch von einem Richter nachvollziehbar ist, der an einer mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen hat.

2. Vorliegend ging es auch um abgehaltene Teilversammlungen in einer Mehrhausanlage mit bestehendem Altbau-Vorderhaus und einem Neubau in einem Hinterhaus. In der vorliegenden Gemeinschaftsordnung war hier vereinbart, dass die Eigentümer des Vorderhauses und des Hintergebäudes als zwei abgrenzbare Gruppen mit gesonderter Verwaltungsführung und getrennter Kostenabrechnung behandelt werden konnten.

3. Besitzt ein Eigentümer mehrere Einheiten und veräußert er aus seinem Bestand Wohnungen, tritt eine Stimmrechtsvermehrung ein, wenn - wie hier - das Stimmrechtskopfprinzip gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 WEG vereinbart ist. Die Schmälerung der Stimmkraft der restlichen Eigentümer ist von diesen insoweit hinzunehmen (h.M.).

4. Majorisierende Stimmrechtsausübung eines Eigentümers steht unter dem ausreichenden Schutz der übrigen Eigentümer, solche Beschlüsse inhaltlich nach Maßstäben des § 242 BGB bzw. Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung gem. § 21 Abs. 4 WEG gerichtlich kontrollieren zu lassen.

5. Soll ein Eigentümer als Verwalter mit festgesetzter Vergütung bestellt werden und geht es auch um die Festsetzung seiner Entlohnung für angebotene hausmeisterliche Tätigkeiten, ist er nach § 25 Abs. 5 WEGnicht stimmberechtigt (h.M.). In gleicher Weise besteht auch das Stimmrechtsverbot für von ihm vertretene Eigentümer nach Sinn und Zweck des § 25 Abs. 5 WEG (vgl. auch Wangemann/Drasdo, Rn 262). Allerdings ist nicht von einem Stimmrechtsausschluss von weiteren Eigentümern auszugehen, die in engen persönlichen Beziehungen zu einem vom Stimmrecht ausgeschlossenen Eigentümer stehen (OLG Saarbrücken, WE 1998 S. 69/73; vgl. auch BGH, NJW 1981 S. 1512, 1513 zu § 47 Abs. 4 GmbHG).

6. Sind Eigentümer mit Miteigentumsanteilen von mehr als der Hälfte aller Anteile nicht stimmberechtigt, kommt § 25 Abs. 3 WEG (Beschlussfähigkeitserfordernis) nicht zur Anwendung; eine Versammlung ist also auch beschlussfähig, wenn hier die gesetzlichen oder vereinbarten Voraussetzungen nicht erfüllt sind (BayObLG, NJW-RR 1993 S. 206,207). Hier zu Unrecht mitgezählte Stimmen wirkten sich angesichts der Mehrheitsverhältnisse i.Ü. nicht kausal aus.

Um die Frage zu klären, ob die hier angefochtenen Beschlüsse ordnungsgemäßer Verwaltung entsprachen, musste die Streitsache zum Zwecke weiterer Ermittlungen an das LG zurückverwiesen werden.

Wie erwähnt bietet eine Stimmrechtsmajorisierung allein noch keinen ausreichenden Grund, einen Beschluss für ungültig zu erklären (h.M.). Entscheidend sind hier Fragen eines unzulässigen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) zu Lasten einer Minderheit, des Weiteren, ob ein Beschluss des beherrschenden Eigentümers gegen Grundsätze ordnungsgemäßen Gebrauchs oder ordnungsgemäßer Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums verstößt.

7. Ein gegen eine Verwalterbestellung sprechender wichtiger Grund kann insbesondere darin liegen, dass im Zeitpunkt der Bestellung Interessengegensätze offenkundig sind und deshalb nicht von entsprechendem Vertrauensverhältnis zum bestellten Verwalter auszugehen ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verwalter als ehemaliger Bauträger-Verkäufer in Streitigkeiten wegen anfänglicher Baumängel verstrickt ist. Auch hier muss das LG neuerlich Umstände klären, ob eine weitere Zusammenarbeit mit dem bestellten Verwalter der Gemeinschaft noch zu...

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