1 Leitsatz
Die Möglichkeit, für ein Wohnungseigentum einen um 15 % höheren Verkaufspreis zu erzielen, führt nicht dazu, dass ein Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Änderung der Gemeinschaftsordnung dahingehend hat, dass sein Teileigentum in Wohnungseigentum (rück-)umgewandelt wird.
2 Normenkette
§§ 1, 10 Abs. 2 WEG; § 242 BGB
3 Das Problem
K erwirbt im Jahr 2003 Wohnungseigentum an 2 Wohnungen. Auf Grundlage einer einmaligen Öffnungsklausel in der Gemeinschaftsordnung wandelt K das Wohnungs- im Jahr 2004 zu Teileigentum um und vermietet die Räume an ein Steuerbüro. Nach Beendigung des Mietvertrags beabsichtigt K das Teileigentum zu veräußern, hilfsweise es zu vermieten. Auf Vermittlungsbemühungen des eingeschalteten Maklerbüros wird ein Angebot zum Kauf der Räume als Wohnungseigentum in Höhe von 1,26 Mio. EUR unterbreitet, während für den Kauf als Teileigentum ein Höchstgebot von 1,1 Mio. EUR abgegeben wird. Mit Rücksicht hierauf will K das Teil- wieder in Wohnungseigentum umwandeln. Der Änderung der Gemeinschaftsordnung stimmen alle Wohnungseigentümer mit Ausnahme von Wohnungseigentümer B zu. K klagt jetzt gegen B auf Zustimmung.
4 Die Entscheidung
Ohne Erfolg! Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 WEG lägen nicht vor. Die Zuerkennung eines Abänderungsanspruchs müsse auf "echte Ausnahmefälle" beschränkt werden, da mit § 10 Abs. 2 WEG in die Vertragsfreiheit eingegriffen werde. Die zu berücksichtigenden Gründe könnten zwar auch wirtschaftlicher Natur sein. Diese seien aber erst dann schwerwiegend, wenn durch das Festhalten an der Regelung die wirtschaftliche Verwertung nicht (mehr) möglich sei. So liege es nicht. Allein die voraussichtliche Erzielung eines um ca. 14,6 % höheren Verkaufserlöses genüge nicht. Jedenfalls Mindererlöse von bis zu 25 % seien nicht ausreichend. Andere Gründe seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall möchte ein Eigentümer sein Teil- in Wohnungseigentum umwandeln. Nach herrschender Meinung handelt es sich bei der Umwandlung um eine Änderung der Gemeinschaftsordnung. Für diese Änderung gibt § 10 Abs. 2 WEG einen Anspruch. Jeder Wohnungseigentümer kann danach eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint.
Unbilligkeit
Für die Frage der Unbilligkeit kommt es auf den Einzelfall an, insbesondere auf die Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer. Abzuwägen sind unter anderem: die Gleichbehandlung der Wohnungseigentümer, die Sachgerechtigkeit der Regelung, die Veränderung der der Regelung zugrunde liegenden maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, deren Vorhersehbarkeit, die Risikoverteilung bei unerwarteten Entwicklungen und das Vertrauen in den Bestand der Vereinbarung. Die Gründe der anderen Wohnungseigentümer müssen über das rein formale Interesse an der Einhaltung der Vereinbarung/des Gesetzes hinausgehen. Bei der Abwägung ist zu beachten, ob eine Regelung bei Erwerb des Wohnungseigentums erkennbar war. Eine – gegebenenfalls – erhebliche Kostenmehrbelastung ist ein wichtiges, aber kein alleiniges Kriterium für die Beurteilung der Unbilligkeit. Der BGH hat zuletzt eine Unbilligkeit angenommen, wenn eine Widmung der Nutzung eines Raums entgegensteht, die nach der baulichen Ausstattung möglich wäre, und objektive Umstände dafür sprechen, dass dem betroffenen Eigentümer diese Nutzung eröffnet werden sollte (BGH, Urteil v. 22.3.2019, V ZR 298/16, Rn. 15). Ferner hat er eine Unbilligkeit angenommen, wenn eine dauerhafte gewerbliche Vermietung der Kellerräume eines Teileigentums angesichts von Lage und Ausstattung des Gebäudes nicht ernsthaft zu erwarten ist (BGH, Urteil v. 23.3.2018, V ZR 307/16, Rn. 12).
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Die Verwaltung hat in einem solchen Fall die Räume so lange als Teileigentum anzusehen, bis im Grundbuch etwas anderes eingetragen ist. Ob ein Eigentümer einen Anspruch auf eine Umwandlung hat, sollte eine Verwaltung nicht kommentieren.
6 Entscheidung
LG Frankfurt a. M., Urteil v. 22.6.2023, 2-13 S 72/22