I. Grundlagen
Rz. 129
Ende 2016 wurde das neue Insolvenzgesetz im VAE-Bundesanzeiger veröffentlicht. Es trat drei Monate nach der Veröffentlichung in Kraft.
Rechtslage bei Insolvenz bis Ende 2016: Vor dem Inkrafttreten des VAE-Insolvenzgesetzes gab es keine einheitlichen Regelungen für akute oder drohende Zahlungsunfähigkeit sowie Überschuldung eines Unternehmens (Insolvenz). Gesetzliche Bestimmungen fanden sich vornehmlich im VAE-Handelsgesetz (Kapitel V) sowie teilweise im VAE-Gesellschaftsgesetz, VAE-Zivilgesetz und VAE-Strafgesetz. Regelungen für die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit eines Schuldners oder die geordnete Abwicklung einer Insolvenz fanden sich dort grundsätzlich nicht. Schuldnern drohten teilweise empfindliche strafrechtliche Sanktionen. Mit dem Inkrafttreten des VAE-Insolvenzgesetzes liegt nunmehr eine einheitliche gesetzliche Regelung des Insolvenzrechts in den VAE vor.
Rz. 130
Das Gesetz mit der offiziellen Bezeichnung Federal Law No. 9 of 2016 on Bankruptcy orientiert sich am US-amerikanischen und anderen internationalen Insolvenzregelungen.
Das VAE-Insolvenzgesetz kennt je nach Ziel des Insolvenzverfahrens zwei grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten: die Abwicklung bzw. Liquidation eines Unternehmens sowie die Reorganisation bzw. Neuaufstellung eines Unternehmens.
Rz. 131
Insolvenz bedeutet Zahlungsunfähigkeit. Diese liegt immer dann vor, wenn ein Schuldner seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Beispielsweise kann der Schuldner einen Kredit nicht mehr tilgen oder offene Rechnungen begleichen.
Rz. 132
Das VAE-Insolvenzgesetz findet grundsätzlich auf folgende Schuldner Anwendung:
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Unternehmen, die im VAE-Gesellschaftsgesetz geregelt sind; |
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Unternehmen, an denen die Bundes- oder eine Emiratsregierung Anteile hält; |
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Unternehmen in Freihandelszonen der VAE, sofern die betreffenden Freihandelszonen nicht selbst über Insolvenzregularien verfügen, wie z.B. Dubai International Finance Centre und Abu Dhabi Global Market); |
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Kaufleute (Trader) i.S.d. VAE-Handelsgesetzes; |
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Personengesellschaften i.S.d. VAE-Zivilgesetzes. |
Rz. 133
Eine gerichtliche Schuldenregulierung für den Fall, dass eine natürliche Person zahlungsunfähig ist, die keine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt oder ausgeübt hat (Privatinsolvenz), findet sich im VAE-Insolvenzgesetz nicht.
II. Insolvenzverfahren
Rz. 134
Das Insolvenzverfahren beginnt stets mit einem Eröffnungsantrag bei Gericht. Der Antrag kann entweder vom Schuldner selbst oder von einem oder mehreren Gläubigern gestellt werden.
Rz. 135
Ein Unternehmen, das sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet, muss zwingend einen Insolvenzantrag stellen, wenn es fällige Forderungen länger als 30 aufeinander folgende Tage nicht bedienen kann oder überschuldet sind. Eine Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen eines Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt und diese Verbindlichkeiten das Vermögen länger als 30 aufeinander folgende Tage übersteigen.
Ein Unternehmen, das sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet, kann nach eigenem Ermessen einen Insolvenzantrag stellen, bevor es fällige Forderungen länger als 30 aufeinander folgende Tage nicht bedienen kann oder bevor eine Überschuldung vorliegt.
Rz. 136
Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens gibt es die folgenden Maßnahmen:
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Reorganisationsverfahren; |
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Vergleichsverfahren zur Abwendung einer Insolvenz; |
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Liquidation. |
Rz. 137
Ein Gläubiger kann ebenfalls einen entsprechenden Antrag (Reorganisationsverfahren bzw. Liquidation) stellen, wenn die ihm zustehende ungesicherte Forderung 100.000 AED oder mehr beträgt und der Schuldner der fälligen Forderungen diese länger als 30 aufeinander folgende Tage nicht bedienen kann und der Gläubiger den Schuldner zur Zahlung der Verbindlichkeit innerhalb dieser Frist schriftlich aufgefordert hat.
Ein Gläubiger kann allerdings keinen Antrag auf ein Vergleichsverfahren zur Abwendung einer Insolvenz stellen. Dies ist allein dem Schuldner vorbehalten.
1. Reorganisationsverfahren
Rz. 138
Zentrales Element des auf die Sanierung eines insolventen Schuldners ausgelegten Reorganisationsverfahrens ist die Erarbeitung eines Reorganisationsplans unter Mitwirkung des Gerichts. Dieser Plan ist eine Vereinbarung zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern darüber, wie die bestehenden Schulden beglichen werden sollen und in welcher Art und Weise das Geschäft des Schuldners weitergeführt werden soll.
Rz. 139
Gibt das Gericht nach Prüfung, ob ausreichend Masse vorhanden ist, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken und das Unternehmen "zu retten", dem Antrag statt, ist ein zentraler Effekt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die sofortige Unterbrechung von Gerichts- und Vollstreckungsverfahren gegen den Schuldner. Die Unterbrechung soll dem Schuldner die Möglichkeit eröffnen, seine finanzielle Situation im Einzelnen festzustellen und die verbleibenden Vermögenswerte zu sichern, um so eine geordnete Ausgangsbasis für das weitere Insolvenzverfahren zu bereiten.
Rz. 140
Ein Reorganisationsverfahren, das die Aufr...