Leitsatz
Mit Inkrafttreten des FamFG zum 1.9.2009 haben sich die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe ggü. der ZPO geändert. Nach der nunmehr geltenden Rechtslage ist im Einzelfall streitig, unter welchen Voraussetzungen dann, wenn Anwaltszwang nicht besteht, die Beiordnung eines Rechtsanwalts notwendig ist.
Sachverhalt
Gemeinsam sorgeberechtigte getrennt lebende Eltern eines 13-jährigen Kindes, das seit Januar 2009 in einem Kinderheim untergebracht war, stritten vor dem FamG darüber, ob das Kind sich einer Therapie mit Wachstumshormonen unterziehen solle und ob die Zustimmungserklärung des dieser Behandlung ablehnend gegenüber stehenden Vaters hierzu ersetzt werden sollte.
Im Ergebnis hat das FamG nach Einholung zweier ärztlicher Stellungnahmen mit Zustimmung des Jugendamts die entsprechende Ersetzung vorgenommen.
Der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wurde vom FamG unter Berufung auf § 78 Abs. 2 FamFG zurückgewiesen unter Hinweis darauf, dass die Sach- und Rechtslage nicht schwierig sei.
Auf die daraufhin von dem Antragsgegner eingelegte sofortige Beschwerde hat das FamG sodann im Wege der Teilabhilfe Verfahrenskostenhilfe gewährt, die Beiordnung eines Rechtsanwalts indes weiterhin abgelehnt.
Die Beschwerde auch insoweit erwies sich als begründet.
Entscheidung
Das OLG kam zu dem Ergebnis, die anwaltliche Vertretung des Antragsgegners sei wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage geboten.
Für die Auslegung von § 78 Abs. 2 FamFG komme es nicht darauf an, ob der Beteiligte nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage sei, zu den verfahrensgegenständlichen Streitfragen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ohne anwaltliche Unterstützung sachgerecht Stellung zu nehmen. Davon sei regelmäßig nicht auszugehen, wenn die Verfahrensführung eine Auseinandersetzung mit medizinischen Gutachten und Zeugnissen erfordere.
Dabei gehe es nicht etwa darum, die Anwaltsbeiordnung entgegen dem Wortlaut des § 78 Abs. 2 FamFG einem subjektiven Maßstab zu unterwerfen. Die Frage sei nicht, ob der Beteiligte einen Rechtsstreit für schwierig halte, sondern dass er ggf. das Verfahren wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage nicht selbst führen könne. Diese - nach objektiven Kriterien, aber bezogen auf die Person des Beteiligten zu bewertende - Schwierigkeit werde nicht dadurch geringer, dass das FamG zur Amtsermittlung verpflichtet sei und zumindest in einigen Verfahrenskonstellationen einen Verfahrensbeistand bestellen solle.
Dem Antragsgegner sei auf seinen rechtzeitig gestellten Antrag die Anwältin beizuordnen, die ihn im Verfahren vertreten habe. Ob die väterliche Zustimmungserklärung zu der fraglichen Hormonbehandlung für das betroffene Kind ersetzt werden solle oder wegen des ablehnenden Votums des mitsorgeberechtigten Vaters blockiert bleibe, hänge von einer umfassenden Analyse der mit der Therapie verbundenen Chancen und Risiken ab, die zu erfassen und mit den Eltern zu erörtern gewesen sei. Das Kind sei kleinwüchsig und drohe es zu bleiben, hierdurch sei es nach der übereinstimmenden Feststellung des Jugendamts und des Kinderpsychiaters nicht nur körperlich, sondern auch psychisch erheblich belastet und in seinen Zukunftsaussichten beeinträchtigt.
Den damit verbundenen Sachfragen habe sich das FamG in seinen Ermittlungen mit großer Sorgfalt und durchaus erheblichem Aufwand gestellt. Das Verfahren habe zudem unter beträchtlichem Zeitdruck betrieben werden müssen, weil für die Behandlung nur noch ein schmales Zeitfenster zur Verfügung gestanden habe. Vor diesem Hintergrund hatte das OLG keinen Zweifel, dass der vorliegende Streit sich für die Beteiligten als rechtlich und tatsächlich so schwierig erweise, dass eine anwaltliche Vertretung erforderlich erscheine.
Link zur Entscheidung
OLG Dresden, Beschluss vom 16.06.2010, 20 WF 460/10