Leitsatz
Eine Kammer freier Berufe ist befugt, Wettbewerbsverstöße von Kammerangehörigen oder deren Wettbewerbern im Zivilrechtsweg zu verfolgen. Gegen solche Verstöße kann sie in dieser Weise grundsätzlich auch dann vorgehen, wenn sie berechtigt ist, zur Beseitigung berufswidriger Zustände belastende Verwaltungsakte zu erlassen. Vor ihrer Entscheidung hat die Kammer dann allerdings abzuwägen, ob das Vorgehen im Zivilrechtsweg angemessen erscheint und nicht unverhältnismäßig in die Berufsausübungsfreiheit des betroffenen Kammerangehörigen eingreift.
Sachverhalt
Der Beklagte ist Zahnarzt und gehört der Klägerin, der Zahnärztekammer N, an. Die Klägerin hat den von ihm benutzten Briefkopf unter anderem wegen der Verwendung des Begriffs "Zahnärztliche Praxisgemeinschaft" als wettbewerbswidrig beanstandet. Dieser Begriff könne mit der Bezeichnung "Gemeinschaftspraxis" verwechselt werden. Eine "Zahnärztliche Praxisgemeinschaft" beschränke sich jedoch auf die gemeinsame Benutzung von Räumen bzw. Geräten und den gemeinsamen Einsatz von Hilfspersonal. Auch rügte die Kammer ein vom Beklagten auf dem Briefkopf verwendetes Symbol. Das OLG hatte der Klage abgewiesen. Die Revision führte jetzt zur Zurückverweisung der Sache.
Entscheidung
Die Klägerin ist als berufsständische Vertretung der Zahnärzte befugt, Wettbewerbsverstöße zu verfolgen, die von ihren Kammerangehörigen oder deren Wettbewerbern begangen werden. Diese Befugnis ist nicht von vornherein dadurch ausgeschlossen, dass die Klägerin berechtigt ist, die notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung berufswidriger Zustände zu treffen und hierzu auch belastende Verwaltungsakte zu erlassen.
Die Möglichkeit, im Zivilrechtsweg gegen berufswidrige Werbung von Kammerangehörigen vorzugehen, steht grundsätzlich eigenständig neben den Befugnissen, die der Klägerin als Kammer gegenüber ihren Kammerangehörigen zustehen. Ein besonderer Grund, warum sich die Klägerin grundsätzlich vorrangig für den einen oder den anderen Weg entscheiden müsste, besteht nicht. Die Klägerin kann schon deshalb nicht ohne Weiteres auf das Ergreifen berufsrechtlicher Maßnahmen verwiesen werden, weil ihr mit der Zuerkennung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche, die kein Verschulden voraussetzen, ein vergleichsweise einfacher und schneller Weg zur Unterbindung berufswidrigen Verhaltens zur Verfügung steht.
Vor ihrer Entscheidung hat die Kammer allerdings abzuwägen, ob das Vorgehen im Zivilrechtsweg angemessen erscheint und nicht unverhältnismäßig in die Berufsausübungsfreiheit des betroffenen Kammerangehörigen eingreift.
Die Ausübung der Klagebefugnis einer Kammer freier Berufe aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist grundsätzlich dann nicht unverhältnismäßig, wenn sie darauf abzielt, eine nach Ansicht der Berufsvertretung unlautere Werbung eines Kammerangehörigen zu unterbinden. Dies gilt in besonderer Weise bei irreführenden Werbeangaben, da diese geeignet sind, den lauteren Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher zu beeinträchtigen und das Ansehen der Berufsgruppe zu schädigen, und deshalb möglichst rasch und wirksam unterbunden werden müssen. Nur unter ganz besonderen Umständen könnte ein Vorgehen im Zivilrechtsweg wegen eines solchen Wettbewerbsverstoßes als unverhältnismäßig zu beurteilen und dementsprechend das Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen sein.
Solche Ausnahmefälle sah der BGH in der vorliegenden Sache nicht, weshalb das OLG in der Sache selbst entscheiden muss.
Praxishinweis
Eine Klagebefugnis aufgrund der Bestimmungen des UWG steht nach h.M. auch den Steuerberaterkammern zu, wenn sie Verstöße gegen das Verbot berufswidriger Werbung i.S.d. § 57a StBerG bekämpfen wollen. Indes sollte das berufsrechtliche Instrumentarium, etwa eine Rüge nach § 81 StBerG, in der Regel ausreichen. Zivilrechtliche Maßnahmen sind nach überwiegender Meinung vorrangig von (Verbraucherschutz-)Verbänden zu ergreifen, nicht aber von öffentlich-rechtlichen Körperschaften.
Link zur Entscheidung
BGH-Urteil vom 6.4.2006, I ZR 272/03