Wenn der Arbeitgeber irrtümlich zu viel Entgelt an den Arbeitnehmer zahlt, ist dieser nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung verpflichtet, den zu Unrecht erhaltenen Brutto-Mehrbetrag an den Arbeitnehmer zurückzuzahlen. Zu beachten ist, dass hinsichtlich des Rückzahlungsanspruchs des Arbeitgebers die tariflichen Ausschlussfristen gelten. Dabei kann sich der Arbeitnehmer nicht auf diese Ausschlussfristen berufen, wenn er es pflichtwidrig unterlassen hat, dem Arbeitgeber die Umstände mitzuteilen, die die Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs innerhalb der Ausschlussfrist ermöglicht hätten. Eine solche Mitteilungspflicht besteht dann, wenn der Arbeitnehmer bemerkt hat, dass er ungewöhnlich hohe Zahlungen erhalten hat, deren Grund er nicht klären kann (BAG, Urteil v. 1.6.1995, 6 AZR 912/94, AP Nr. 16 zu § 812 BGB; (BAG, Urteil v. 10.3.2005, 6 AZR 217/04).

Der Arbeitgeber hat im Rechtsstreit darzulegen und zu beweisen, ob und in welcher Höhe der Arbeitnehmer eine Überzahlung erhalten hat und dass diese Zahlung ohne Rechtsgrund erfolgt ist. Der Arbeitnehmer muss den Einwand dagegen vortragen, dass er entreichert sei und den überwiesenen Mehrbetrag nicht mehr in seinem Vermögen habe. In diesem Fall ist nach § 818 Abs. 3 BGB ein Zahlungsanspruch ausgeschlossen. Auf den Anscheinsbeweis für das Vorliegen einer Entreicherung kann sich der Arbeitnehmer grundsätzlich nur dann berufen, wenn

  1. es sich um eine geringfügige Überzahlung handelt (BAG, Urteil v. 18.1.1995, 5 AZR 817/93, wonach eine Überzahlung von 200 DM monatlich nicht mehr als geringfügig angesehen wird, vgl. auch die Richtlinien des öffentlichen Dienstes, auf die zurückgegriffen werden kann: bis zu 10 % bei einmaligen Leistungen bzw. bei allen Leistungen innerhalb eines Zeitraumes, maximal 102,25 EUR monatlich, BMI Allgemeine Verwaltungsvorschriften zum BBesG vom 29.5.1980, GMBl. S. 290, für Beamte. Rundschreiben des BMI vom 23.10.1962 in der Fassung des Rundschreibens vom 4.7.1980, GMBl, S. 412, für Arbeiter und Angestellte) und
  2. nach der Lebenssituation des Arbeitnehmers erfahrungsgemäß ein alsbaldiger Verbrauch der Überzahlung für die laufenden Kosten der Lebenshaltung anzunehmen ist (BAG, Urteil v. 18.1.1995, 5 AZR 817/93, AP Nr. 13 zu § 812 BGB; BAG, Urteil v. 23.5.2002, 5 AZR 374/99: LAG Hamm, Urteil v. 3.12.1999, 5 Sa 97/99, NZA-RR 2000, 181).

Die Berufung auf den Einwand der Entreicherung ist jedoch dann nicht möglich, wenn der Arbeitnehmer beim Empfang der Leistung nicht gutgläubig war und er durch die Verwendung des Geldes lediglich Ausgaben erspart hat, die er notwendigerweise auch sonst gehabt hätte, mithin die Mehreinnahmen nicht unmittelbar für außergewöhnliche Dinge und Luxusausgaben verwendet wurden. Die Regelung des § 818 Abs. 3 BGB ist dispositiv. Ist im Arbeitsvertrag geregelt, dass der Arbeitnehmer zuviel erhaltenes Entgelt ohne Rücksicht auf die noch vorhandene Bereicherung zurückzahlen muss, kann auf dieser Grundlage Klage erhoben werden; dem Arbeitnehmer steht dann der Entreicherungseinwand nicht zu.

Der Anspruch des Arbeitgebers auf Rückzahlung ist in Höhe des Bruttobetrages geltend zu machen (BAG, Urteil v. 15.3.2000, 10 AZR 101/99 und BAG, Urteil v. 5.4.2000, 10 AZR 257/99 für den Fall der Vereinbarung im Tarifvertrag, dass Überzahlungen "in voller Höhe" zurückgezahlt werden müssen; LAG Köln, Urteil v. 17.11.1995, 13 Sa 558/95). Der Anspruch umfasst auch die Zahlung der abgeführten Steuern und der Sozialversicherungsbeiträge durch den Arbeitnehmer, denn der Arbeitnehmer ist auch um diese Zahlungen bereichert (LAG Hamm, Urteil v. 25.1.1980, 5 Sa 1140/79; Müller, DB 1978, 935, 938).

Der Arbeitnehmer wird durch die in seinem Auftrag vorgenommenen Abführungen von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen auch von einer entsprechenden Schuld befreit, § 362 BGB. Der Arbeitnehmer ist nach § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG der alleinige Steuerschuldner und der Schuldner der Sozialversicherungsbeiträge in Höhe der Arbeitnehmeranteile, da er die Beiträge in dieser Höhe "zu tragen" hat (§ 249 Abs. 1 SGB V, § 168 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI, § 346 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Es besteht zunächst eine Steuerpflicht für alle Einnahmen ohne Rücksicht auf ihren Rechtsgrund. Nach § 38 Abs. 2 Satz 2 EStG entsteht die Lohnsteuer in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt.

Im Fall der rechtsgrundlosen Lohnüberzahlung, für die der rechtliche Grund einer Steuerzahlung später wegfällt, ist die Rückabwicklung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Abgabenempfänger geregelt: Nach § 37 Abs. 2 AO hat der Arbeitnehmer einen Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt, da er derjenige ist, "auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist". Damit wird bezweckt, dem Finanzamt eine eingehende Prüfung der zivilrechtlichen Beziehungen zwischen dem Steuerschuldner und dem Arbeitgeber als zahlender Dritter zu ersparen. Entsprechendes gilt bei der Rückerstattung von rechtsgrundlos gezahlten Sozialversicherungsbeiträgen: Inhaber des Erstattungsanspruchs de...

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