1 Leitsatz
Bei einer Vergütungsvereinbarung muss die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zumindest die Person des Anwalts bestimmen. Ein Beschluss nach § 27 Abs. 2 WEG reicht nicht.
2 Normenkette
§ 27 Abs. 2 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer beschließen, der Verwalter solle zur Führung von Beschlussklagen befugt sein. Ferner soll er allein einen Rechtsanwalt aussuchen, mit diesem eine Strategie abstimmen, über die Einlegung von Rechtsmitteln entscheiden und mit dem diesem eine Vergütungsvereinbarung schließen können. Wohnungseigentümer K klagt gegen das Recht des Verwalters, die Vergütungsvereinbarung abzuschließen. Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor.
4 Die Entscheidung
Mit Erfolg! Der Beschluss widerspreche einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Für eine Vergütungsvereinbarung bedürfe es eines Beschlusses. Damit dieser den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspreche, müssten (nach altem und neuem Recht) besondere Gründe vorliegen (Hinweis auf Abramenko, ZWE 2009, S. 154 ff.). Denn jedenfalls im Bezirk des LG Karlsruhe würden selbst Fachanwälte in WEG-Sachen nur nach dem RVG abrechnen, sodass ein praktischer Bedarf für Vergütungsvereinbarungen in WEG-Sachen in der Regel nicht bestehe. Hinzukomme, dass nur bei einer Abrechnung nach RVG gewährleistet sei, dass alle Kosten vom Gegner im Rahmen der Kostenfestsetzung erlangt werden könnten. Bei einer Abrechnung außerhalb des gesetzlichen Preisrechts stelle sich außerdem die Frage, ob Vergleichsangebote anderer Anbieter einzuholen seien. Als besonderer Grund, der ausnahmsweise eine Vergütungsvereinbarung rechtfertigen könne (und ggf. zugleich auch die Einholung von Vergleichsangeboten entbehrlich mache), komme allerdings eine besondere fachliche Qualifikation des Rechtsanwalts, ein besonderes Vertrauensverhältnis zu ihm oder eine Vorbeauftragung in einer mit dem vermeintlichen Anspruch tatsächlich zusammenhängenden Angelegenheit in Betracht. Diese Gründe müssten aber der Ermessensentscheidung der Wohnungseigentümer zugrunde liegen und seien im Beschlusstext zu nennen. Jedenfalls müsse der zu beauftragende Rechtsanwalt aus dem Beschlusstext erkennbar sein. Denn insoweit bestehe ein unauflöslicher Zusammenhang zwischen seiner Person und den Gründen für eine Vergütungsvereinbarung. Keineswegs könne diese Entscheidung ohne inhaltliche und/oder personelle Vorgaben auf den Verwalter delegiert werden (Hinweis auf LG München I, Urteil v. 2.8.2017, 1 S 15254/16 WEG, NJW-RR 2018, S. 266 und Drasdo, NJW-Spezial 2017, S. 707). Der Beschluss bestätige auch nicht eine ohnehin von Gesetzes wegen gegebene Kompetenz. Denn im Regelfall sei eine Vergütungsvereinbarung nicht von § 27 Abs. 1 WEG gedeckt. Etwas Anderes könne nur dann gelten, wenn es sich um tatsächlich geringfügige Beträge beispielsweise in einer sehr großen Gemeinschaft handele.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall ermächtigen die Wohnungseigentümer den Verwalter zur Führung von Beschlussklagen. Dazu soll er einen Rechtsanwalt aussuchen und mit diesem eine Strategie abstimmen können. Ferner soll er über die Einlegung von Rechtsmitteln entscheiden und mit dem Rechtsanwalt eine Vergütungsvereinbarung schließen können. Diese Entscheidungen müssten die Wohnungseigentümer treffen. Die Wohnungseigentümer können den Verwalter aber nach § 27 Abs. 2 WEG, den das LG nicht einmal erwähnt, insoweit ermächtigen.
Bestimmung eines Rechtsanwalts
Dem LG ist insoweit nicht zuzustimmen, dass die Wohnungseigentümer einen Rechtsanwalt bestimmen müssten. Im aktuellen Recht gibt es für diese Sichtweise keine ausreichenden gesetzlichen Anhaltspunkte.
Vergütungsvereinbarung
Richtig dürfte es hingegen sein, dass es für eine Vergütungsvereinbarung (= eine Vereinbarung über die Vergütung mit dem Ziel eine Vergütung zu zahlen, die das RVG nicht von Gesetzes wegen vorsieht) nicht immer einen ausreichenden Anlass gibt. Ferner ist es wohl richtig, jedenfalls Angebote einzuholen.
Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?
Eine Verwaltung sollte keine Vergütungsvereinbarung schließen, obwohl ihr das nach § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG natürlich möglich ist. Bestimmt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, dass es ausnahmsweise einer Vergütungsvereinbarung bedarf, steht dieser aber nichts im Wege.
6 Entscheidung
LG Karlsruhe, Urteil v. 4.9.2023, 11 S 68/22