Leitsatz
Bei der außerordentlichen Kündigung eines Betriebsrats ist entscheidend, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist zugemutet werden kann. Es kommt nicht darauf an, wann die Amtszeit des Betriebsrats endet.
Sachverhalt
Die Arbeitnehmerin, die Mitglied des Betriebsrats ist, ist seit über zehn Jahren bei der beklagten Arbeitgeberin als Bürokauffrau beschäftigt und für die Verwaltung zweier Kassen verantwortlich. Ihr wurde nachgewiesen, Kassendifferenzen im einstelligen Bereich ohne eigene Bereicherung durch nachträgliche Buchungen ausgeglichen bzw. verborgen zu haben.
Nachdem die übrigen Betriebsratsmitglieder der außerordentlichen Kündigung zugestimmt hatten, kündigte die Arbeitgeberin fristlos aus wichtigem Grund. Angesichts des festgestellten Fehlverhaltens sei es ihr unzumutbar, die Arbeitnehmerin bis zum Ende der Amtszeit als Betriebsrätin bzw. wegen des nachwirkenden Sonderkündigungsschutzes noch ein weiteres Jahr danach, hier also insgesamt fast noch zwei Jahre lang, weiterzubeschäftigen.
Die gekündigte Betriebsrätin führte in ihrer Kündigungsschutzklage aus, für die Frage der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung komme es auf die fiktive ordentliche Kündigungsfrist an. Die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund sei hier unwirksam, weil es der Arbeitgeberin zumutbar sei, sie für die Dauer ihrer Kündigungsfrist von vier Monaten weiterzubeschäftigen. Das BAG gab der Arbeitnehmerin bzw. Betriebsrätin Recht. Deren Fehlverhalten war zwar schwerwiegend, weil sie versucht hatte, ihre Buchungsfehler zu verdecken. Trotzdem war der Arbeitgeberin eine weitere Zusammenarbeit noch zumutbar. Bei der außerordentlichen fristlosen Kündigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers ist entscheidend, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist zugemutet werden kann. Das gilt auch für Arbeitnehmer, denen gegenüber die ordentliche Kündigung nach § 15 KSchG ausgeschlossen ist, z.B. als Betriebsratsmitglied.
Im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung nach § 626 Abs. 1 BGB ist das Interesse des Arbeitgebers an einer sofortigen Beendigung abzuwägen gegen das Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes bis zum Ablauf der im Einzelfall (fiktiv) einschlägigen Kündigungsfrist. Es kommt nicht darauf an, wann die Amtszeit des Betriebsrats endet. Zöge man das Ende der Betriebsratsamtszeit heran, fiele bei Betriebsräten wegen des einjährigen kündigungsschutzrechtlichen Nachwirkungszeitraums zu ihren Lasten stets eine sehr lange Bindungsdauer in die Waagschale.
Link zur Entscheidung
BAG, Urteil v. 17.1.2008, 2 AZR 821/06.