Leitsatz

  1. Im Beschlussanfechtungsverfahren kann ein zunächst mitverklagter Eigentümer grundsätzlich auch nach Ablauf der Anfechtungsfrist dem Streit auf Klägerseite als Nebenintervenient beitreten
  2. Änderung des Kostenverteilungsschlüssels für Instandhaltungen und Instandsetzungen kann nicht allgemein über eine Einzelfallregelung hinaus beschlossen werden (insoweit besteht keine Beschlusskompetenz gemäß § 16 Abs. 4 WEG)
  3. Jede Änderung des Kostenverteilungsschlüssels bedarf stets auch ausdrücklicher Änderungsbeschlussfassung
 

Normenkette

§§ 16 Abs. 3 und Abs. 4, 46 Abs. 1 WEG; §§ 66, 69, 71 und 167 ZPO

 

Kommentar

  1. Im vorliegenden Beschlussanfechtungsverfahren eines klagenden Eigentümers gegen die übrigen Miteigentümer nach § 46 Abs. 1 WEG ging es um einen der Miteigentümer auf Beklagtenseite, der bereits Passivpartei des Anfechtungsstreits war. Es handelte sich bei ihm damit um einen von mehreren notwendigen Streitgenossen auf der Beklagtenseite. Zu jedem einzelnen dieser Streitgenossen entsteht allerdings nach h.M. im Beschlussanfechtungsverfahren ein gesondertes Prozessrechtsverhältnis. Aus der Sicht eines Nebenintervenienten, also einem der Beklagten, welcher der Klägerseite zeitlich selbst nach Ablauf der Anfechtungsfrist unterstützend beitritt, geht es im Hinblick auf die Prozessrechtsverhältnisse mit den anderen beklagten Streitgenossen um Rechtsstreitigkeiten zwischen anderen Personen im Sinne des § 66 Abs. 1 ZPO. Somit kann auch ein beklagter Streitgenosse in den Verfahren gegen andere Streitgenossen später als Streithelfer dem Anfechtungskläger beitreten (ebenfalls h.M.).

    In dieser wenn auch bisher umstrittenen Frage schließt sich die Kammer der BGH-Rechtsprechung (BGH, Urteil v. 27.3.2009, V ZR 196/08, NJW 2009 S. 2132, 2134, Tz. 21) an (auch unter Hinweis auf die ablehnende Meinung von Niedenführ und Entscheidung des OLG Frankfurt v. 4.5.2006, 5 W 14/09 zur Parallel-Problematik bei einer aktienrechtlichen Anfechtungsklage). Ein solcher Nebenintervenient kann somit den Kläger einer bereits fristgerecht erhobenen Klage unterstützen, zumal sich durch seinen Beitrag der Streitgegenstand der Klage nicht ändert. Die einmonatige Beschlussanfechtungsfrist des § 46 Abs. 1 WEG dient allein der raschen Fixierung des Streitgegenstands (Beschlussgültigkeitsfrage), bezweckt aber keinen Schutz der restlichen Miteigentümer vor einer bestimmten Art und Weise der Prozessführung oder gar der Einlegung von Rechtsmitteln.

  2. Wird allerdings die Beschlussanfechtungsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG versäumt, ist eine Klage unbegründet. Fristsäumnis kann auch eintreten, wenn ein Kläger den Gerichtskostenvorschuss nicht rechtzeitig einbezahlt hat. § 167 ZPO (Fristwahrung und Zustellungsrückwirkung bei Zahlung "demnächst") bleibt allerdings anwendbar, wenn der geforderte Gerichtskostenvorschuss innerhalb eines Zeitraums von 2 Wochen oder nur geringfügig mehr nach Zugang einer Vorschussanforderung durch das Gericht erfolgt (vgl. BGH, NJW 2009 S. 999; LG München I, ZWE 2009 S. 35). Die bloße Weiterleitung einer gerichtlichen Vorschussanforderung etwa an die Rechtsschutzversicherung mit entsprechender Zahlungsverzögerung entlastet allerdings eine Klagepartei nicht, weil hier weitergehende Säumnisse in den klägerischen Verantwortungsbereich fallen.
  3. Aus § 16 Abs. 4 WEG ergibt sich keine Beschlusskompetenz für allgemeine, über eine Einzelfallregelung hinausgehende Änderungen des Kostenverteilungsschlüssels für Instandhaltungen und Instandsetzungen. Vorliegend wollten Eigentümer ganz generell die gesetzliche (vgl. § 16 Abs. 2 WEG) bzw. entsprechend vereinbarte Kostenverteilung künftig nach Nutzfläche ändern. Dies führte zur Nichtigkeit des Beschlusses (BGH, Urteil v. 9.7.2010, V ZR 202/09, NJW 2010 S. 2654, 2655 und h.M.). Insoweit ergibt sich auch keine Beschlusskompetenz nach § 16 Abs. 3 WEG.
  4. Im Übrigen bedarf es bei jeglichen Kostenverteilungsänderungsbeschlüssen, also solchen nach § 16 Abs. 3 oder auch § 16 Abs. 4 WEG ausdrücklicher Beschlussfassung. Nur so ist sichergestellt, dass die Eigentümer eine an sich geltende Kostenverteilung bewusst und gewollt, also nicht nur nebenbei und möglicherweise nur versehentlich beschließen.
  5. Aufgrund bestehender Entscheidungsreife konnte die Kammer in der Sache selbst entscheiden, zumal vorliegend auch kein Zurückverweisungsantrag nach § 538 Abs. 2 Satz 1 ZPO gestellt wurde.
Anmerkung

§ 66 ZPO (Nebenintervention) lautet:

„(1) Wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Partei obsiege, kann dieser Partei zum Zweck ihrer Unterstützung beitreten.

(2) Die Nebenintervention kann in jeder Lage des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung, auch in Verbindung mit der Einlegung eines Rechtsmittels, erfolgen.”

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