Leitsatz
Das AG hatte den Angeklagten wegen Verletzung der Unterhaltspflicht zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war. Der Angeklagte war Vater zweier in den Jahren 1993 und 2000 geborener Kinder. Aufgrund eines Urteils war er verpflichtet, an seine beiden Kinder monatlich insgesamt Unterhalt von 440,00 EUR zu zahlen. Dieser Verpflichtung war er zu keinem Zeitpunkt nachgekommen.
Zur Person und Sache hatte das AG eine nicht einschlägige Vorstrafe festgestellt. Danach war der Angeklagte wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt worden.
Der Angeklagte war in der Fensterbaufirma seines Bruders beschäftigt. Er hatte Verbindlichkeiten von ca. 92.000,00 EUR, die aus der Aufgabe einer eigenen Firma herrührten. Während seiner Ehe hatte er eine eigene Fensterbaufirma betrieben, um den Unterhalt seiner Familie mit den Einkünften hieraus zu sichern. Der Umsatz lag teilweise monatlich bei ca. 10.000,00 EUR. Nach der Trennung der Eheleute hielt sich der Angeklagte mehrfach bei seinem Bruder auf, zu dem die Ehefrau nach der Trennung gezogen war. Er war mit der Trennung seiner Frau nicht einverstanden. Mehrfach drohte er, er werde seine Firma "dicht machen" und keinen Unterhalt zahlen, wenn die Ehefrau nicht zu ihm zurückkehre.
Als seine Frau sich endgültig von ihm trennte, gab der Angeklagte seine Firma auf. Anfang Februar 2004 übernahm sein Bruder die Firma. Am 7.6.2005 stellte der Bruder, der gelernter Elektriker war, einen Antrag auf Eintragung der Firma, wobei er den Angeklagten als Betriebsleiter benannte. Weiter legte er einen Anfang Juni 2005 geschlossenen Arbeitsvertrag vor, in dem der Angeklagte als Betriebsleiter eingestellt wurde. Das Arbeitsverhältnis begann laut Arbeitsvertrag am 1.8.2005 für ein monatliches Einkommen von 1.000,00 EUR brutto.
Tatsächlich wurde die Firma nach Aufgabe durch den Angeklagten weiter von ihm betrieben, da seinem Bruder die notwendige Fachkenntnis zum Betreiben der Firma fehlte.
Festgestellt wurde auch, dass der Angeklagte sich seit dem Zeitpunkt der Aufgabe der Firma um keine andere Arbeitsstelle bemüht hatte.
Gegen das erstinstanzliche Urteil des AG legte der Angeklagte ein Rechtsmittel ein und rügte die Verletzung der gesetzlichen Verpflichtungen aus § 244 II StPO, den Sachverhalt vollständig aufzuklären. Er erhob insoweit die allgemeine Sachrüge.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Der Strafsenat des OLG hielt das Rechtsmittel des Angeklagten für begründet.
Die bisherigen Feststellungen des AG seien materiell-rechtlich unvollständig und trügen den Schuldspruch wegen Verletzung der Unterhaltspflicht gem. § 170 Abs. 1 StGB nicht. Sie ermöglichten nicht die Prüfung, ob das AG rechtsfehlerfrei von einer Leistungsfähigkeit des Angeklagten habe ausgehen können.
Der Tatbestand des § 170 StGB setze neben einer gesetzlichen Unterhaltspflicht des Täters i.S.d. bürgerlichen Rechts und dem Bedarf der Geschädigten voraus, dass der Beschuldigte leistungsfähig sei. Die Leistungsfähigkeit sei vom Strafrichter in der Weise festzustellen, dass angegeben werden müsse, welchen Betrag der Täter mindestens hätte leisten können. Außerdem müssten die Beurteilungsgrundlagen, tatsächliches oder erzielbares Einkommen, zu berücksichtigende Lasten, Eigenbedarf usw. so genau dargelegt werden, dass eine Überprüfung der vom Tatrichter angenommenen Leistungsfähigkeit möglich sei.
Werde die Leistungsfähigkeit mit erzielbarem Einkommen begründet, so seien die beruflichen Fähigkeiten und Möglichkeiten unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage in dem betreffenden Zeitraum festzustellen. Allgemeine Behauptungen insoweit genügten nicht.
In dem angefochtenen Urteil fehlten konkrete Feststellungen, die den Rückschluss auf eine Leistungsfähigkeit des Angeklagten zuließen.
Die getroffenen Erkenntnisse seien unzureichend zur Begründung einer Leistungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund fiktiven Einkommens.
Auch hinsichtlich der Verschuldung des Angeklagten seien die Feststellungen des AG unvollständig bzw. sogar widersprüchlich. Die aus der Verschuldung erwachsenen Verpflichtungen des Angeklagten seien unterhaltsrechtlich bedeutsam. Insoweit sei von Interesse, ob und in welcher Höhe der Angeklagte Zahlungen an Gläubiger leiste.
Im Übrigen spreche die Tatsache, dass die Selbständigkeit zur erheblichen Defiziten geführt hatte, gegen die Annahme des AG, diese Tätigkeit sei geeignet gewesen, den Unterhalt der Familie zu sichern.
Die bisher vom AG getroffenen Feststellungen seien nicht geeignet, eine Verurteilung des Angeklagten wegen Verletzung der Unterhaltspflicht zu tragen, aufgrund dessen sei das angefochtene Urteil aufzuheben.
Link zur Entscheidung
OLG Hamm, Beschluss vom 07.09.2006, 4 Ss 373/06