Der Gesetzgeber hat zeitgleich zu der Konzern-Klausel eine weitere Ausnahme in den § 8c KStG eingefügt, die sog. Stille-Reserven-Klausel. Nach dieser ebenfalls ab VZ 2010 geltenden Regelung bleibt ein Verlustabzug trotz schädlichem Beteiligungserwerb bis zur Höhe der im übertragenen Geschäftsanteil ruhenden stillen Reserven erhalten.
Eine solche Ausnahmeregelung ist gerechtfertigt. Ohne diese kam es oftmals zu einer wirtschaftlich nicht immer sinnvollen Realisierung der stillen Reserven noch vor einer Anteilsübertragung. Dadurch konnte ein bestehender Verlust vor dessen Untergang ganz oder teilweise genutzt werden. Letztlich baut die geschaffene Ausnahmeklausel auf diesem rechnerischen Ergebnis auf.
3.2.1 Ermittlung der stillen Reserven
Die stillen Reserven sind gesetzlich als Unterschiedsbetrag zwischen dem (anteiligen oder gesamten) in der steuerlichen Gewinnermittlung ausgewiesenen Eigenkapital und dem auf dieses Eigenkapital jeweils entfallenden gemeinen Wert der Anteile an der Körperschaft definiert. Maßgebend sind die stillen Reserven zum Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs.
Um unerwünschte Ergebnisse zu vermeiden, wurde ab 2010 zudem die Berechnung der stillen Reserven bei Körperschaften mit negativem Eigenkapital anders gefasst. In diesen Fällen errechnen sich die stillen Reserven als Differenz zwischen dem (anteiligen oder gesamten) ausgewiesenen Eigenkapital und dem diesem Anteil entsprechenden gemeinen Wert des Betriebsvermögens der Körperschaft.
Verkauf für 1 EUR
Die V-GmbH hat ihren Betrieb eingestellt, verfügt über kein Aktivvermögen mehr und weist nur noch ein Gesellschafterdarlehen i. H. v. 150.000 EUR aus. Das Kapitalkonto beträgt damit -150.000 EUR. Die GmbH-Anteile des V werden von X für 1 EUR entgeltlich erworben.
Ohne die gesetzliche Korrektur hätten sich stille Reserven von 150.001 EUR ergeben (Differenz zwischen gemeinem Wert der Anteile mit 1 EUR und dem Kapitalkonto mit -150.000 EUR). Durch die Änderung kommt es aber zum Vergleich des gemeinen Werts des Betriebsvermögens mit dem Kapitalkonto: beide Werte betragen -150.000 EUR, sodass sich stille Reserven von 0 EUR ergeben.
Der Gesetzgeber hat damit eine nicht geplante Lücke geschlossen, die in der Praxis insbesondere bei der Veräußerung eigentlich wertloser GmbH-Anteile zum symbolischen Preis von 1 EUR aufgetreten wäre. Damit bleibt insbesondere eine Werterhöhung der Anteile durch eine künftige Steuerminderung aus der Verlustnutzung zu Recht außen vor.
Eine andere Frage ist, auf welcher tatsächlichen Grundlage der maßgebende gemeine Wert in der Praxis ermittelt werden kann.
- Liegt eine entgeltliche Anteilsübertragung vor, lassen sich der gemeine Wert und damit die Höhe der stillen Reserven i. d. R. aus dem vereinbarten Entgelt ableiten.
- Ist kein Entgelt gegeben, wie z. B. bei Einbringung, Einlage etc., lässt es sich in der Praxis nicht vermeiden, dass eine Unternehmensbewertung vorzunehmen ist.
Erfolgt die Anteilsübertragung nicht auf den Bilanzstichtag, sondern unterjährig, ist es sinnvoll, eine Zwischenbilanz zu erstellen. Aus dieser ist sodann das dem gemeinen Wert gegenüberzustellende steuerliche Eigenkapital ersichtlich.
3.2.2 Korrekturen
Stille Reserven in Wirtschaftsgütern im Ausland waren zunächst ausgenommen. Doch nach einer gesetzlichen Änderung können auch stille Reserven von im Ausland belegenem Betriebsvermögen in die Berechnung einbezogen werden, soweit Deutschland ein Besteuerungsrecht zusteht.
Es verbleiben damit die folgenden Korrekturtatbestände bei der Ermittlung der Höhe der stillen Reserven:
- Beteiligungen an anderen Kapitalgesellschaften, die nach § 8b Abs. 2 KStG steuerbefreit sind und damit bei ihrer Veräußerung nicht besteuert werden;
- stille Reserven in ausländischen Betriebsstätten, soweit diese nach dem jeweiligen DBA in Deutschland steuerbefreit sind;
- stille Reserven in ausländischen Grundstücken oder anderen Wirtschaftsgütern, für die das jeweilige DBA eine Steuerfreistellung vorsieht.
3.2.3 Eigenkapital
Liegt ein Fall vor, in dem ein vollständiger Verlustuntergang droht (schädliche Übertragung > 50 %), ist das gesamte steuerliche Eigenkapital in die Berechnung einzubeziehen. Dies gilt auch, wenn die Übertragung selbst weniger als 100 % der Anteile umfasst. Entsprechend wird dann auch der gesamte gemeine Wert aller Anteile einbezogen.
60 %ige Übertragung
A erwirbt 60 % der Anteile an der V-GmbH für 90.000 EUR. Die V-GmbH verfügt über einen Verlustvortrag von 100.000 EUR und weist in der Steuerbilanz ein Eigenkapital von 60.000 EUR aus. Zudem ist im Betriebsvermögen eine 20 %ige Beteiligung an der X-GmbH mit Buchwert 20.000 EUR bilanziert, deren gemeiner Wert 25.000 EUR beträgt.
Es ergibt sic...