Leitsatz
Fehlt es bei Unanwendbarkeit des § 2049 Abs. 1 BGB an einer ausdrücklichen Bestimmung, so liegt eine konkludente Anordnung gem. § 2312 Abs. 2 BGB vor, wenn die Auslegung der letztwilligen Verfügung ergibt, dass dem Erblasser erkennbar daran gelegen war, den Fortbestand seines landwirtschaftlichen Betriebes zu sichern. Dann ist der Ertrags- und nicht der Verkehrswert maßgeblich.
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Höhe des klägerischen Vermächtnisanspruchs. Die Beklagte lebte mit dem Erblasser in Gütergemeinschaft und ist gem. notariellem Ehe- und Erbvertrag Alleinerbin geworden. Ein Drittel des Gesamtgutes sollten die Abkömmlinge des Erstversterbenden als Vermächtnis erhalten. Der Kläger ist einer der drei Söhne des Erblassers.
Da nur Verluste erwirtschaftet würden, ist der Kl. der Ansicht, der zum Nachlass gehörende landwirtschaftliche Betrieb sei mit dem Verkehrswert zu bewerten. Demgegenüber ist die Bekl. der Ansicht, dem Ehe- und Erbvertrag sei zu entnehmen, dass das Landgut zum Ertragswert anzusetzen sei.
Entscheidung
Die Berufung der Bekl. hat in der Sache Erfolg. Das landwirtschaftliche Anwesen ist Kraft Anordnung des Erblassers zum Ertragswert zu übernehmen. Es unterliegt der Bewertungsregel des § 2312 Abs. 2 BGB, da diese an sich den Pflichtteilsanspruch betreffende Vorschrift entsprechend auch auf ein Geldvermächtnis zum Ausgleich des gesetzlichen Pflichtteils Anwendung findet. Vorliegend beläuft sich der gesetzliche Pflichtteil auf 1/12 des Nachlasswertes gem. §§ 1931 Abs. 1 und 3, 1371, 2303 Abs. 1 S. 2 BGB, so dass das Vermächtnis mit 1/9 des Gesamtgutes den Pflichtteilsanspruch kompensiert.
"Landgut" i.S.d. §§ 2049, 2312 BGB kann nach st. Rspr. des BGH auch eine landwirtschaftliche Nebenerwerbsstelle sein, wobei es auf die Verhältnisse zur Zeit des Erbfalls ankommt. Einzige Einschränkung der Anwendung der genannten Vorschriften ist die Erreichung des Gesetzeszwecks, nämlich die Erhaltung eines noch leistungsfähigen landwirtschaftlichen Betriebes in der Hand einer vom Gesetz begünstigten Person.
Hier greift zwar die Vermutung des § 2049 Abs. 1 BGB nicht, da es nach dem Erblasserwillen keine Erbenmehrheit, sondern nur einen Erben geben sollte. Auch fehlt es an einer ausdrücklichen Anordnung im Ehe- und Erbvertrag. Jedoch ist eine stillschweigende Anordnung durch ergänzende Vertragsauslegung feststellbar.
Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses lebte der Erblasser noch auf dem seit Generationen betriebenen Hof. Trotz Geburt des Kl. setzte der Erblasser die Bekl. zur Alleinerbin ein. Damit liegt ein auf Erhalt des landwirtschaftlichen Betriebes gerichteter Erblasserwille vor, und zugleich auch eine konkludente Anordnung, dass der Hof für die Vermächtnisberechnung nur mit dem Ertragswert anzusetzen ist, um den ansonsten wegen der zu erwartenden Ausgleichszahlungen unumgänglichen Verkauf zu vermeiden.
Link zur Entscheidung
OLG München, Urteil vom 21.06.2006, 20 U 2160/06