Leitsatz
a) § 91 InsO ist im Fall der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung mit den Sicherungsmaßnahmen des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 InsO nicht entsprechend auf die Zeit zwischen Eröffnungsantrag und Insolvenzeröffnung anwendbar.
b) Das gesetzliche Vermieterpfandrecht an eingebrachten pfändbaren Sachen des Mieters entsteht mit der Einbringung, auch soweit es erst künftig entstehende Forderungen aus dem Mietverhältnis sichert (Bestätigung von BGH, Urteil v. 20.3.1986, IX ZR 42/85, WM 1986, 720, 721).
c) Das der Sicherung des Mietanspruchs dienende Vermieterpfandrecht kann insolvenzrechtlich nicht in weiterem Umfang angefochten werden als die Mietzahlung selbst. Dem Vermieter steht deshalb in der Insolvenz des Mieters ein anfechtungsfreies Absonderungsrecht zu, soweit die von dem Pfandrecht erfassten Gegenstände bereits vor der Krise eingebracht wurden.
(amtliche Leitsätze des BGH)
Normenkette
BGB § 562; InsO § 91 Abs. 1
Kommentar
Zwischen dem Vermieter und dem Mieter bestand ein Mietverhältnis über Büroräume zu einer monatlichen Miete von ca. 13.000 EUR. Der Mieter hatte am 30.7.2001 Insolvenzantrag gestellt; das Gericht hatte einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und gem. § 21 Abs. 2 Nr. 2 und 3 InsO angeordnet, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Am 1.8.2001 übte der Vermieter das Pfandrecht an den in den Mieträumen befindlichen Gegenständen aus. Das Insolvenzverfahren wurde am 4.10.2001 eröffnet. Für die Zeit vom 1.8. bis 3.10.2001 machte der Vermieter Mietansprüche in Höhe von ca. 26.500 EUR geltend. Der Insolvenzverwalter hatte die in den Mieträumen befindlichen Gegenstände veräußert und hierbei einen Erlös erzielt, der über den vom Vermieter geltend gemachten Mietansprüchen lag. Gleichwohl hatte der Insolvenzverwalter den Vermieter nicht befriedigt. Der Vermieter erhob deshalb Klage auf Feststellung, dass für die Mietforderungen für die zwischen dem Insolvenzantrag und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Vermieterpfandrecht besteht.
Die Klage hatte im Wesentlichen Erfolg:
1. Nach § 91 Abs. 1 InsO können nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse erworben werden. Dies gilt auch für das Vermieterpfandrecht nach § 562 BGB. Vereinzelt wird vertreten, dass die Regelung des § 91 Abs. 1 InsO auf einen Rechtserwerb im Eröffnungsverfahren entsprechend anzuwenden ist, wenn – wie vorliegend – Sicherungsmaßnahmen i. S. v. § 21 Abs. 2 Nr. 2 und 3 InsO angeordnet sind. Der BGH lehnt diese Ansicht ab: Der Wortlaut des § 91 InsO ist eindeutig; eine planwidrige Gesetzeslücke besteht nicht. Der Gesetzgeber hat trotz Kenntnis der Problematik von einer Verweisung abgesehen.
2. Bei dieser Rechtslage kommt es maßgeblich darauf an, ob der Insolvenzverwalter das Vermieterpfandrecht als kongruente Deckung anfechten kann (§ 130 Abs. 1 InsO).
Nach § 129 Abs. 1 InsO kann der Insolvenzverwalter Rechtshandlungen anfechten, die der Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen hat. Die Anfechtung setzt voraus, dass die Insolvenzgläubiger durch die Rechtshandlung benachteiligt werden. Zu den Rechtshandlungen in diesem Sinne gehört auch das Einbringen einer Sache, die zu einem Vermieterpfandrecht (§ 562 BGB) führt. Eine Rechtshandlung gilt als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten (§ 140 Abs. 1 InsO). Bei den Mietforderungen handelt es sich nicht um betagte Forderungen, die bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses entstehen, sondern um aufschiebend befristete Forderungen. Bei einer befristeten Rechtshandlung kommt es nach der ausdrücklichen Regelung in § 140 Abs. 3 InsO nicht auf den Eintritt des Termins an, zu dem die Miete zu zahlen ist. Maßgeblich ist vielmehr der Zeitpunkt der Pfandrechtsentstehung. Hierzu werden im Schrifttum verschiedene Ansichten vertreten. Nach einer Meinung kommt es für die Pfandrechtsentstehung generell darauf an, wann die dem Pfandrecht unterliegende Sache in das Mietobjekt eingebracht wird. Nach anderer Ansicht ist insolvenzrechtlich zwischen den bereits entstandenen und den künftigen Forderungen zu unterscheiden: Die bereits entstandenen Forderungen sind insolvenzfest. Hinsichtlich der künftigen Forderungen habe der Schuldner die Einrede der Nichtvalutierung, die mit der Verfahrenseröffnung zur Masse gehöre. Entsteht eine Forderung in der kritischen Zeit, werde dem Schuldner die Einrede entzogen. Hiermit sei eine Benachteiligung der Gläubiger verbunden, weshalb es für die Anfechtung auf diesen Zeitpunkt ankomme.
Nach der Auffassung des BGH kann bei rechtsgeschäftlichen und gesetzlichen Pfandrechten offenbleiben, ob für die Anwendung des § 140 Abs. 1 InsO allgemein auf den Zeitpunkt der Entstehung der gesicherten Forderung abzustellen ist. Bei dem gesetzlichen Pfandrecht gilt der Rechtsgedanke des § 140 Abs. 3 InsO. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Abschluss der rechtsbegründenden Tatbestände, bei den aufschiebend befristete...