Tobias Böing, Jochem Schausten
Rz. 19
Mit der Trennung der Eheleute und dem Auszug eines Ehegatten aus der vormaligen Ehewohnung stellt sich zwangsläufig die Frage, wie zukünftig bei noch bestehenden Verbindlichkeiten die Lastentragung geregelt wird und ob und in welcher Höhe ein Nutzungsentgelt durch den in der Wohnung verbliebenen Ehegatten gezahlt werden muss. Es ist dabei zwischen der Zeit bis zur Rechtskraft der Ehescheidung und danach zu unterscheiden. Es gelten auch hier grundsätzlich die spezialgesetzlichen Regelungen der §§ 1361b, 1568a BGB bzw. § 2 GewSchG vorrangig vor den allgemeinen Vorschriften (insbesondere vor § 745 Abs. 2 BGB), wobei eine Neuregelung aufgrund der Sonderregelungen letztlich eine Neuregelung des Gemeinschaftsverhältnisses i. S. v. § 745 Abs. 2 BGB bedeutet.
Rz. 20
Während des Getrenntlebens richtet sich die Behandlung der Ehewohnung grundsätzlich nach § 1361b BGB, in dessen Abs. 3 Satz 2 eine Vergütung für die Nutzung geregelt ist, wenn diese der Billigkeit entspricht.
Rz. 21
Bezüglich des bis zum 31.12.2001 geltenden "alten" § 1361b BGB herrschte Streit, ob dieser lediglich dann einen Anspruch auf Nutzungsentgelt schaffe, wenn dem Auszug des einen Ehegatten ein Wohnungszuweisungsverfahren vorausgegangen war oder ob dieser auch auf die Fälle des freiwilligen Auszugs angewendet werden kann.
Seit Geltung des neuen § 1361b BGB wird jedoch ganz überwiegend vertreten, dass § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB nicht nur für die Zuweisungsfälle, sondern auch für alle Fälle freiwilligen Auszugs die Anspruchsgrundlage sein solle:
Rz. 21
"Für getrennt lebende Eheleute, die zugleich Mitglieder einer Eigentümergemeinschaft i. S. d. §§ 741 ff. BGB an der Ehewohnung sind, verdrängt für die Frage einer zu zahlenden Nutzungsentschädigung die Regelung des § 1361b Abs. 3, S. 2 BGB die allgemeine Regelung des § 745 Abs. 2 BGB als lex specialis für die Trennungszeit. Dies gilt auch dann, wenn der weichende Ehegatte die Ehewohnung freiwillig verlassen und dem verbleibenden Ehegatten freiwillig zur Nutzung überlassen hat und somit die eigentliche Zuweisung der Ehewohnung nicht Streitgegenstand war oder ist, da es seit der Neufassung des § 1361b Abs. 3, S. 2 BGB durch das Gewaltschutzgesetz vom 11.12.2001 nicht mehr auf die Frage des Grundes für den Auszug des anspruchstellenden Ehegatten ankommt und es auch nicht mehr eines Rückgriffs auf § 745 Abs. 2 BGB oder einer analogen Anwendung des § 1361b Abs. 2 BGB a. F. bedarf."
Rz. 22
Unbillig kann die Geltendmachung der Nutzungsentschädigung beispielsweise dann sein, wenn der in der Immobilie wohnen gebliebene Ehegatte nur SGB II-Leistungen bezieht. In einem anderen Fall wurde dem Ehemann, der Alleineigentümer des Hauses war, in welchem die Ehefrau nach der Trennung mit den drei gemeinsamen Kindern wohnen blieb, ein Nutzungsentgeltanspruch aus § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB zugebilligt, weil die Ehefrau die Wohnung mittlerweile seit mehr als vier Jahren nutzte und der Ehemann für insgesamt vier Kinder Unterhalt zahlen und auch die Hauslasten alleine tragen musste.
Dem in der Ehewohnung verbleibenden Ehegatten kann aus Billigkeitsgesichtspunkten eine Überlegungsfrist zuzubilligen sein, innerhalb welcher er sich klar werden kann, ob er zukünftig für die Wohnungsnutzung die verlangte Nutzungsvergütung zahlen oder sich um eine Ersatzwohnung kümmern möchte.
Rz. 23
Für die Zeit nach Rechtskraft der Ehescheidung steht keine spezialgesetzliche Anspruchsgrundlage für die Erlangung eines Nutzungsentgeltes zur Verfügung; auch nicht für den Fall der Wohnungszuweisung.
§ 1568a BGB selbst beinhaltet keine Regelung bezüglich einer Nutzungsvergütung. Der Gesetzgeber hat bewusst von einer solchen Regelung abgesehen, weil in Miteigentumsfällen ein Mietverhältnis zwischen den Ehegatten begründet werden solle, sodass kein Erfordernis bestehe, eine Regelung betreffend eines Nutzungsentgeltes zu treffen. Der Anspruch auf Begründung eines Mietverhältnisses ergibt sich aus § 1568a Abs. 5 Satz 1 BGB. Meist einigen sich die Eheleute über die weitere Nutzung der Wohnung, sodass kein Bedarf für einen Antrag auf Begründung eines Mietverhältnisses besteht. Dem Ehegatten, der die Ehewohnung nicht mehr nutzt, steht im Zweifel ein Nutzungsentgelt aus § 745 Abs. 2 BGB zu. Das gilt gleichfalls für den in der Ehewohnung wohnen gebliebenen Ehegatten, in dessen Alleineigentum die Immobilie steht, sofern er dem anderen Ehegatten ein dingliches Mitbenutzungsrecht in Form einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit gem. § 1090 BGB eingeräumt hat. Auf die Ansprüche des Mitnutzungsberechtigten gegen den Alleineigentümer finden die Regelungen über die Bruchteilsgemeinschaft gem. §§ 741 ff. BGB entsprechende Anwendung. In diesem Fall kann der Alleineigentümer dem Nutzungsentgeltanspruch nicht die Verbindlichkeiten für die Immobilie entgegen halten, da durch die Abtragung lediglich das Vermögen des Alleineigentümers gemehrt wird.