Tobias Böing, Jochem Schausten
Rz. 40
In der Praxis kommt es regelmäßig vor, dass beide Ehegatten gesamtschuldnerisch für Verbindlichkeiten haften, die während der Ehe begründet wurden. Das Bestehen einer Gesamtschuld hat nach § 421 Satz 1 BGB zur Folge, dass jeder Schuldner im Außenverhältnis auf die ganze Verbindlichkeit haftet und der Gläubiger frei wählen kann, welchen Gesamtschuldner er in Anspruch nehmen möchte. Wird der Gläubiger befriedigt, tritt auch Erfüllung im Verhältnis zu den anderen Gesamtschuldnern ein, § 422 BGB.
Eine gesamtschuldnerische Haftung der Ehegatten tritt kraft Gesetzes insbesondere bei Geschäften zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs, sogenannten Schlüsselgewaltgeschäften gem. § 1357 Abs. 1 Satz 2 BGB, ein. Solch ein Geschäft kann z. B. sein die Beauftragung eines Rechtsanwaltes zur Abwehr einer Räumungsklage betreffend die Ehewohnung. Entscheidend ist für die Annahme eines Schlüsselgewaltgeschäftes, dass die Ehegatten sich über den Abschluss des Geschäfts nicht vorher zu verständigen pflegen. Auch der Abschluss eines Energielieferungsvertrages für die Ehewohnung während des Zusammenlebens der Eheleute sieht der BGH als Schlüsselgewaltgeschäft im Sinne des § 1357 Abs. 1 BGB an. Ferner führen Verträge über die ärztliche Behandlung gemeinsamer Kinder, die ein Ehegatte alleine abschließt, zu einem Schlüsselgewaltgeschäft mit der Folge der gesamtschuldnerischen Haftung.
Die Haftung im Innenverhältnis der Gesamtschuldner regelt § 426 BGB. Es handelt sich hierbei um einen gesetzlichen Forderungsübergang, mit dem auch Sicherungsrechte, die für die Forderung bestehen, sowie die Rechte aus einer für sie bestellten Bürgschaft auf den "neuen Gläubiger" übergehen.
Hier ist festzustellen, dass die Vorschriften über den Zugewinn den Ausgleich nach § 426 Abs. 1 BGB nicht verdrängen. Es ist ferner im Einzelfall zu prüfen, wen die Verbindlichkeiten im Innenverhältnis jeweils treffen. Nach § 424 Abs. 1 Satz 1 BGB haften Gesamtschuldner zu gleichen Teilen, wenn nichts anderes bestimmt ist.
Rz. 41
Eine abweichende Bestimmung kann sich aus Gesetz, Vereinbarung, dem Inhalt und Zweck des Rechtsverhältnisses oder der Natur der Sache ergeben. Solange die eheliche Gemeinschaft besteht, ergibt sich in der Regel kein Anlass für die Abänderung einer stillschweigend gewählten Handhabung der Tilgung der gemeinschaftlichen Verbindlichkeiten. Das Gesamtschuldnerverhältnis wird dann noch durch die eheliche Lebensgemeinschaft überlagert. Erst mit der Trennung leben die Ausgleichsansprüche wieder auf.
Rz. 42
Der Ausgleichsanspruch aus Gesamtschuldnerausgleich entsteht nicht erst mit der Befriedigung des Gläubigers, sondern schon mit der Begründung des Gesamtschuldverhältnisses. Aus diesem Grunde besteht vor der Befriedigung des Gläubigers bereits ein Anspruch auf Freistellung von der Leistung an den Gläubiger. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass für Leistungen, die vor der Trennung der Ehegatten durch einen der Ehegatten allein oder überwiegend erbracht wurden, kein Ausgleich verlangt werden kann; insoweit wird das Gesamtschuldverhältnis durch die eheliche Lebensgemeinschaft überlagert. Die Rechtsprechung sieht darin eine anderweitige Bestimmung.