Tobias Böing, Jochem Schausten
Rz. 44
Der während intakter Ehe bestehende und von den gesetzlichen Bestimmungen abweichende Verteilungsmaßstab kann nicht mehr angenommen werden, wenn die Ehe gescheitert ist. Mit dem Scheitern der Ehe entfällt nämlich die aus der ehelichen Lebensgestaltung abgeleitete anderweitige Bestimmung. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Eingreifen der Haftung zu gleichen Anteilen (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB) ist das Scheitern der Ehe. Der Stichtag für das Scheitern der Ehe ist jedoch nicht eindeutig zu bestimmen. Es wird jedoch regelmäßig angenommen, dass die Ehe dann gescheitert ist, wenn die Eheleute endgültig getrennt sind, wenn also ein Ehegatte aus der gemeinsam bewohnten Immobilie ausgezogen ist. Das OLG Oldenburg hält bereits eine Trennung innerhalb der Ehewohnung für ausreichend, wenn es zu einer vollständigen wirtschaftlichen Separation gekommen ist.
Setzt einer der Ehegatten nach der Trennung allein oder überwiegend die Zins- und Tilgungszahlungen für gemeinsame Verbindlichkeiten fort, steht ihm grundsätzlich ab dem endgültigen Scheitern der Ehe ein Ausgleichsanspruch gegen den anderen Ehegatten zu. Ob dieser Ausgleichsanspruch mit Erfolg geltend gemacht werden kann, hängt aber z. B. davon ab, ob die einseitig geleisteten Zahlungen beispielsweise bei der Ehegattenunterhaltsberechnung bereits einkommensmindernd berücksichtigt worden sind – in diesen Fällen kann ein Ausgleich nicht mehr verlangt werden, hier geht die Rechtsprechung ebenfalls von einer anderweitigen Bestimmung aus (vgl. oben).
Rz. 45
Oftmals übernimmt der im gemeinschaftlichen Eigenheim verbleibende Ehegatte die Hauslasten alleine. Entsprechen diese Hauslasten ungefähr dem überlassenen Wohnwert, so kann auch darin eine anderweitige Bestimmung im Sinne des § 426 Abs. 1 BGB zu sehen sein, insbesondere wenn der andere Ehegatte keine Nutzungsentgeltansprüche geltend macht.
Rz. 46
Oftmals trägt aber auch der ausgezogene Ehegatte die Hauslasten für das im gemeinschaftlichen Eigentum stehende Eigenheim, welches von dem anderen Ehegatten weiterhin bewohnt wird. In der Regel wird auch in dieser Konstellation ein Ausgleich über die Unterhaltsberechnung erfolgen, indem die Hauslasten bei dem ausgezogenen Ehegatten einkommensmindernd und der Wohnwert bei dem anderen Ehegatten einkommenserhöhend berücksichtigt werden. Sollte dies allerdings aus besonderen Gründen einmal nicht der Fall sein, hat der ausgezogene Ehegatte in dieser Konstellation einen Ausgleichsanspruch gegen den im Eigenheim verbleibenden Ehegatten.
Rz. 47
Hier ist zu berücksichtigen, dass dieser Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich auch rückwirkend, also ab dem Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe und ohne Inverzugsetzung geltend gemacht werden kann. Anders ist dies bei der Geltendmachung von Nutzungsentgelt. Dieses kann erst ab dem Zeitpunkt des ersten Zahlungsverlangens rückwirkend gefordert werden.
Rz. 48
In der Praxis kommt es auch vor, dass ein Ehegatte im Hinblick darauf, dass der andere Ehegatte die laufenden Raten aus einem gemeinschaftlich aufgenommenen Kredit erfüllt, von der Geltendmachung des Trennungs- oder nachehelichen Unterhalts Abstand nimmt. Hier ist nach den Umständen des Einzelfalles zu entscheiden, ob deshalb eine anderweitige Bestimmung im Sinne des § 426 Abs. 1 BGB gesehen werden kann.
"Soweit die Beklagte davon abgesehen hat, nachehelichen Unterhalt gerichtlich geltend zu machen, kommt es für die Frage, ob hierin eine anderweitige Bestimmung liegen kann, zunächst darauf an, ob solche Ansprüche, und zwar ohne Berücksichtigung der die Leistungsfähigkeit des Klägers mindernden Schuldentilgung, überhaupt bestanden hätten. Ob bejahendenfalls eine stillschweigende Vereinbarung dahingehend angenommen werden kann, dass die Unterhaltsansprüche im Hinblick darauf nicht geltend gemacht werden, dass der Kläger die Darlehensschulden allein tilgt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden."
Wird allein deswegen kein Unterhalt geltend gemacht, weil der andere Ehegatte die Hauslasten nach der Trennung weiter abträgt, sollte dies entsprechend kommuniziert werden. Alleine aus dem Umstand, dass der ggf. unterhaltsberechtigte Ehegatte keinen Unterhalt geltend macht, lässt sich im Zweifel keine konkludente Vereinbarung einer alleinigen Eintrittspflicht desjenigen herleiten, der die Hausfinanzierungsraten weiter trägt.
Rz. 49
In der Berücksichtigung einer vom Unterhaltsschuldner allein getragenen Gesamtschuld bei der Bemessung des Kindesunterhalts kann regelmäßig keine anderweitige Bestimmung gesehen werden, die Ausgleichsansprüche zwischen den Ehegatten nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ausschließt. Es handelt sich insoweit schon nicht um wechselseitige Ansprüche der Ehegatten. Abgesehen davon wird durch diese Vorgehensweise im Ergebnis keine nahezu hälftige Aufteilung der Schuldentilgung unter den Ehegatten herbeigeführt. Denn eine ggf. erfolgende Eingruppierung des Unterhaltsschuldners in eine niedrigere Einkommensgruppe der Unterhaltstabellen führt nur in eingesc...