Tobias Böing, Jochem Schausten
7.1 Trennungsjahr
Rz. 145
Trennen sich die Eheleute, so entstehen daraus keine unmittelbaren steuerlichen Folgen. § 26 EStG besagt, dass die Ehegatten für das Kalenderjahr, in dem die Trennung erfolgt ist, noch die gemeinsame Veranlagung wählen können. Probleme können aber bereits unmittelbar nach der Trennung auftreten, wenn die Steuererklärung für das Jahr davor entweder noch nicht abgegeben wurde oder aber eine Erstattung/Nachforderung erfolgt. Hier wird oft Streit darüber entstehen, in welchem Verhältnis diese unter den Eheleuten zu verteilen ist, bzw. ob der weniger verdienende Ehegatte seine Zustimmung zur gemeinsamen Veranlagung erteilt.
7.2 Behandlung von Steuererstattungen und Steuerschulden
7.2.1 Ausgleich bei positiven Einkünften
Rz. 146
Positive Einkünfte aus einer Steuererstattung sind im Innenverhältnis nach § 426 BGB auszugleichen. Der Ausgleich zu gleichen Teilen scheitert jedoch in der Regel am Vorliegen einer anderweitigen Bestimmung. Diese kann in einer ausdrücklichen oder stillschweigend geschlossenen Vereinbarung bestehen. Sie kann sich aber auch insbesondere durch ständige Übung während der Ehe gebildet haben. Hat beispielsweise ein Ehegatte während bestehender Ehe immer die Steuervorauszahlungen für beide Ehegatten geleistet, so wird er nach der Trennung nicht einen Ausgleich von dem anderen Ehegatten für das Jahr vor der Trennung verlangen können. Dies deshalb nicht, weil der ehelichen Lebensgemeinschaft die Anschauung zugrunde liege, mit dem Einkommen beider Ehegatten gemeinsam zu wirtschaften und finanzielle Mehrleistungen nicht auszugleichen.
Rz. 147
Ab dem Zeitpunkt der Trennung wird dieser Maßstab jedoch nicht aufrecht zu erhalten sein. Der BGH leitet aus den güterrechtlichen Beziehungen der Ehegatten, nämlich aus der Trennung der Vermögensmassen und der Schulden im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft und bei Gütertrennung, eine anderweitige Bestimmung des Inhalts ab, dass im Verhältnis der Ehegatten zueinander jeder von ihnen für die Steuer, die auf seine Einkünfte entfällt, selbst aufzukommen hat. Wenn also ein Ehegatte die Einkommensteuer des anderen begleicht, so ergibt sich im Hinblick auf die rechtliche Selbständigkeit der beiderseitigen Vermögen, dass er gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen hat.
7.2.2 Maßstab für einen Ausgleich
Rz. 148
Die Höhe dieses Aufwendungsersatzes wird nach einer Entscheidung des BGH, mit der er seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben hat, nunmehr wie folgt ermittelt:
Die Steuerschuld wird nach dem Verhältnis der Steuerbeträge, die bei getrennter Veranlagung (ab Veranlagungsjahr 2013: Einzelveranlagung) anfielen, aufgeteilt. Zur Ermittlung des Ausgleichs wird also eine fiktive Einzelveranlagung (bis zum Veranlagungsjahr 2012: getrennte Veranlagung) unter Heranziehung des § 270 AO durchgeführt, das Maß der jeweiligen Verursachung der Steuerlast ist Ausgleichsmaßstab. Dies gilt nach dem BGH gleichermaßen für Steuererstattungen wie für Steuernachforderungen, und zwar unabhängig davon, ob Letztere erstmals oder nachträglich festgesetzt worden sind. Denn in allen Fällen gehe es um die Steuerschuld, welche die Ehegatten jeweils zu tragen haben. Die Steuererstattung bzw. Steuernachforderung wird also unter Einbeziehung der geleisteten Steuerzahlungen verteilt.
Bei einer Alleinverdienerehe würde die getrennte Veranlagung selbstredend nicht zu einem anderen Ergebnis führen, denn sämtliche Steuerlast trifft nur den alleinverdienenden Ehegatten, der nicht verdienende Ehegatte hat demnach auch keinen Anspruch auf Beteiligung an einer an den verdienenden Ehegatten geflossenen Steuererstattung im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs.
Rz. 149
Dieser Maßstab ist jedoch für die Fälle einer sogenannten "familienrechtlichen Überlagerung" nicht anzuwenden. Diese kann dann anzunehmen sein, wenn die Ehegatten ihre beiden Einkommen bis zur Trennung für den Lebensunterhalt der Familie aufgewendet bzw. das Einkommen zur gemeinsamen Vermögensbildung eingesetzt haben und nicht gerade ein Ehegatte sein Einkommen primär für sich selbst aufgewendet hat. Die familienrechtliche Überlagerung kommt aber auch dann zum Tragen, wenn der Unterhaltspflichtige nach der Trennung Ehegattenunterhalt entsprechend der nach Steuerklasse III und V besteuerten Einkommen gezahlt hat. In diesen Fällen kann sich die Verteilung lediglich auf den Erstattungsbetrag bzw. auf die Nachforderung beschränken und zwar im Verhältnis der tatsächlich gezahlten Steuern.
Rz. 150
Es müssen bei jeder Berechnung jedoch die Besonderheiten des Einzelfalles Berücksichtigung finden. Die dargestellte Berechnung kann beispielsweise schon dann nicht mehr durchgehend angewendet werden, wenn sich die Eheleute in der Mitte eines Jahres getrennt haben, sie vorher gemeinsam gewirtschaftet haben und danach kein Unterhalt gezahlt wird. Es erklärt sich hier von selbst, dass eine differenzierte Berechnung nach den einzelnen Abschnitten vorgenommen werden muss. Gleiches kann auch für Selbstständige gelten.