Tobias Böing, Jochem Schausten
Rz. 159
Was für die gemeinsame steuerliche Veranlagung gilt, ist letztlich auch auf das begrenzte Realsplitting nach § 10 Abs. 1 a Nr. 1 EStG anzuwenden. Nach dieser Vorschrift sind Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten im Jahr der Zahlung bis zu 13.805 EUR pro Jahr als Sonderausgaben abzugsfähig. Damit unterliegen allerdings auf Seiten des zustimmenden Ehegatten die Unterhaltsleistungen einschließlich seiner eigenen Einkünfte abzüglich der Werbungskosten als sonstige Einkünfte gem. § 22 Nr. 1a EStG der Einkommensteuer, was mit möglicherweise erheblichen Nachteilen verbunden ist. Der zur Zustimmung verpflichtete Ehegatte kann daher verlangen, dass der andere Ehegatte ihn von allen mit der Zustimmung verbundenen Nachteilen befreit. Die Nachteile können sowohl steuerlicher als auch tatsächlicher Natur sein. Denn durch die Überschreitung von Freigrenzen können auch sonstige Vorteile verloren gehen, wie z. B. der Anspruch auf Arbeitnehmersparzulage, Ausbildungsförderung oder Wohnungsbauprämie. Auch die Kosten für den Steuerberater, der zur Ermittlung der mit der Zustimmung verbundenen Nachteile beauftragt wird, sind ein Teil der zu ersetzenden Nachteile.
Bei der Inanspruchnahme des unterhaltsrechtlichen Realsplittings hat der Unterhaltspflichtige im Rahmen des Nachteilsausgleichs die Kosten der Krankenversicherung des Unterhaltsberechtigten zu tragen, wenn dieser wegen Überschreitens der gesetzlichen Einkommensgrenze aus der Familienversicherung herausfällt.
Liegen keine steuerlichen , sondern sonstige wirtschaftliche Nachteile (z. B. erhöhte Krankenversicherungskosten, Steuerberaterkosten) vor, darf der Unterhaltsempfänger seine Zustimmung zum Sonderausgabenabzug nach Ansicht des OLG Koblenz nur dann von der Abgabe einer Verpflichtungserklärung zum Nachteilsausgleich abhängig machen, wenn die Nachteile substantiiert dargelegt werden.
Empfehlung:
Es sollte immer darauf geachtet werden, dass der Ehegatte, der die Zustimmung verlangt, die Verpflichtung zum Nachteilsausgleich auf sämtliche – und eben nicht gerade nur auf steuerliche – Nachteile erstreckt.
Rz. 160
Ist der zustimmende Ehegatte wieder verheiratet und hat er mit diesem die Zusammenveranlagung gewählt, so kann er höchstens Ausgleich des steuerlichen Nachteils verlangen, der ihm bei getrennter Veranlagung durch die Besteuerung der Unterhaltsbezüge entstanden wäre.
Rz. 161
Die Zustimmung zum begrenzten Realsplitting ist eine formfreie Erklärung, die durch die Unterzeichnung der sogenannten "Anlage U" der Steuererklärung erfolgt. Ist diese Zustimmung einmal erteilt, wirkt sie auf Dauer, es sei denn, sie wird vor Beginn des Kalenderjahres, in welchem sie nicht mehr gelten soll, widerrufen. Im Falle der Verurteilung zur Zustimmung wirkt sie dagegen nur für das jeweilige Kalenderjahr.
Rz. 162
Verweigert der zustimmungspflichtige Ehegatte die Zustimmung grundlos, so macht er sich auch hier schadensersatzpflichtig. Der Unterhaltspflichtige ist jedoch nicht gehalten, zur Vermeidung eines Schadens den anderen Ehegatten auf Zustimmung zu verklagen. Er kann vielmehr auf den Sonderausgabenabzug verzichten und den anderen auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.
Rz. 163
Hat der eine Ehegatte die Zustimmung erteilt, so besteht der Anspruch auf Nachteilsausgleich auch dann, wenn der andere Ehegatte nicht explizit erklärt hat, dass er ihm die entstehenden Nachteile ersetzen wird. Die Zusicherung der Übernahme der Nachteile begründet letztlich den Freistellungsanspruch nicht, sondern sichert ihn nur. Wenn der auf Zustimmung in Anspruch genommene Ehegatte seine erteilte Zustimmung nicht von der Verpflichtungserklärung zum Nachteilsausgleich abhängig gemacht hat, so kann dies dennoch nicht als Verzicht auf den Nachteilsausgleich gesehen werden.
Rz. 164
Der Anspruch auf Ausgleich der Nachteile wird von der Rechtsprechung als ein Anspruch im Rahmen des gesetzlichen Unterhaltsrechtsverhältnisses der Ehegatten angesehen. Aus diesem Grunde kann dem Anspruch auf Nachteilsausgleich gegenüber grundsätzlich nicht mit einer Gegenforderung aufgerechnet werden.
Rz. 165
Der Anspruch ist erst fällig, wenn die Nachteile tatsächlich entstanden sind und nicht schon bei der Zustimmung zum Realsplitting. Sind die Nachteile steuerlicher Natur, muss der entsprechende Steuerbescheid vorgelegt werden, aus welchem sich der Nachteil erkennen lässt.