Leitsatz
Die Versagung der Restschuldbefreiung wegen einer Insolvenzstraftat setzt nicht voraus, dass diese Straftat in einem Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren steht, in dem die Restschuldbefreiung beantragt wird. Verurteilungen des Schuldners sind aber nur innerhalb der für die Eintragung im Bundeszentralregister zu beachtenden fünfjährigen Tilgungsfrist zu berücksichtigen.
Sachverhalt
Auf Antrag eines Schuldners wurde über sein Vermögen ein Verbraucherinsolvenzverfahren durchgeführt. Das Insolvenzgericht versagte beim Abschluss des Verfahrens die vom Betroffenen begehrte Restschuldbefreiung, weil ein Insolvenzgläubiger dies beantragt hatte. Dieser Gläubiger verwies auf eine vorangegangene Verurteilung des Schuldners wegen Verletzung der Buchführungspflicht und machte deswegen einen Versagungsgrund geltend. Eine gegen die amtsgerichtliche Entscheidung gerichtete Beschwerde beim zuständigen Landgericht blieb erfolglos. Auch der anschließend angerufene BGH versagte die Restschuldbefreiung.
Entscheidung
Von Gesetzes wegen ist eine Restschuldbefreiung auf Antrag eines Gläubigers dann zwingend zu versagen, wenn der Schuldner wegen einer Insolvenzstraftat rechtskräftig verurteilt worden ist.
Strittig war bislang, ob diese Verurteilung in einem Zusammenhang mit dem konkreten Insolvenzverfahren stehen muss oder nicht. Nach Auffassung des Senats ist ein derartiger Zusammenhang nicht erforderlich. Die Richter verweisen zunächst auf die Entstehungsgeschichte der Bestimmung. Nach Auffassung des Gesetzgebers sollte ein Schuldner, der derartige strafbare Handlungen zum eigenen Vorteil und zum Nachteil der Gläubiger vornimmt, von seinen Schulden nicht befreit werden. Nur der "redliche" Betroffene hat Anspruch auf eine solche Begünstigung.
Der BGH verweist darauf, dass die einschlägigen Insolvenzdelikte nicht nur dem Schutz der einzelnen, jeweils betroffenen Gläubiger dienen, sondern auch der Funktionsfähigkeit der Kreditwirtschaft insgesamt. So beruht § 283b StGB auf der Erfahrung, dass die Erfüllung der handelsrechtlichen Buchführungsund Bilanzierungsvorschriften eine Grundvoraussetzung jeder ordnungsmäßigen Wirtschaftsführung ist. Die Verletzung dieser Obliegenheit birgt die Gefahr von Fehlentschließungen mit schweren wirtschaftlichen Auswirkungen in sich. Die Gefährdung der Kreditwirtschaft durch vorsätzliche Verletzung seiner Buchführungspflicht lässt den Schuldner – unabhängig von den übrigen Umständen des Einzelfalls – bereits als unredlich erscheinen, falls es zur Insolvenz kommt.
Inwieweit die Pflichtverletzung zum wirtschaftlichen Zusammenbruch konkret beigetragen hat, ist nach Meinung der Richter unerheblich. Aus ihrer Sicht sind die Interessen des Betroffenen hinreichend durch die zeitliche Begrenzungen gewahrt, die für Eintragungen im Bundeszentralregister gelten: Verurteilungen wegen Verstößen gegen die §§ 283ff. StGB werden nach fünf Jahren aus dem Register getilgt und sind danach nicht mehr verwertbar.
Praxishinweis
Die Regelungen zur Versagung einer Restschuldbefreiung waren bereits früh Gegenstand von Kritik. Tatsächlich stellt das Gesetz ihr Eintreten in Fällen wie dem hier entschiedenen allein in das Belieben eines Gläubigers. Stellt er im Schlusstermin keinen entsprechenden Antrag, so kommt dem Schuldner die Rechtswohltat des § 286 InsO uneingeschränkt zu Gute. Insoweit geht die Gläubigerautonomie auch dem – durch die vorangegangene Verurteilung dokumentierten – staatlichen Strafanspruch vor. Nach der jetzt durch den BGH erfolgten Klarstellung ist nicht auszuschließen, dass einige Gläubiger versuchen werden, ihre Position im Verbraucherinsolvenzverfahren durch den Hinweis auf einen andernfalls möglichen Versagungsantrag zu verbessern. Der so entstehende Druck kann den einzelnen Schuldner gegebenenfalls veranlassen, zusätzliche wirtschaftliche Zugeständnisse zu machen. Im Übrigen bleibt ihm nur die Möglichkeit, die Zeit bis zur Tilgung etwaiger strafgerichtlicher Verurteilungen abzuwarten. Nach Ablauf der Fünf-Jahres-Frist bleibt die uneingeschränkte Restschuldbefreiung – unabhängig von eventuellen Vorstrafen – weiter möglich.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom 18.12.2002, IX ZB 121/02